Loud Quitting: Wenn Mitarbeiter lautstark hinwerfen
Laut Gallup-Umfrage tendieren etwa 20 Prozent der Arbeitnehmer weltweit zu dieser dramatischen Form des Kündigens – was Fragen zu den Folgen für die Karriere und Unternehmenskultur aufwirft.
"Ich kündige!" Mit diesen Worten stürmt Sarah aus dem Büro ihres Chefs, knallt die Tür hinter sich zu und verkündet lautstark im Großraumbüro: "Ich bin raus hier! Diesen Wahnsinn mache ich nicht länger mit!" Noch am selben Abend teilt sie ihre Erfahrungen in einem langen Post auf Linkedin. Sarahs beispielhafter drastischer Abgang hat seit geraumer Zeit einen Namen: Loud Quitting.
Die laute Kündigung beschreibt einen Unternehmensausstieg, bei dem Beschäftigte ihren Arbeitsplatz auf öffentlichkeitswirksame Weise verlassen. Im Gegensatz zum Quiet Quitting, bei dem Angestellte resigniert nur noch das Nötigste tun, machen Loud Quitter ihrem Ärger und ihrer Unzufriedenheit lautstark Luft – sei es durch einen theatralischen Abgang aus dem Büro, eine fristlose Kündigung ohne Einhaltung von Fristen oder durch das Teilen ihrer Erfahrungen in den sozialen Medien. Das Phänomen reiht sich ein in allerhand neu definierte und neuartige Arbeitstrends wie Quiet Firing, Bare Minimum Mondays und Conscious Quitting.
Knapp zwei Drittel der Beschäftigten weltweit unzufrieden
Weltweit geben die Zahlen Anlass zur Sorge: Laut der Gallup-Umfrage State of the Global Workplace 2024 unter 128.000 Teilnehmern aus 160 Ländern tendieren 16 Prozent der Befragten dazu, sich aktiv von ihrem Arbeitgeber zu distanzieren (und damit auch laut zu kündigen) – ein leichter Rückgang gegenüber 18 Prozent im Vorjahr. Das eher inaktive Desengagement unter Beschäftigen ist dagegen um drei Prozentpunkte auf 62 Prozent gestiegen – damit haben fast zwei Drittel der Befragten bereits innerlich gekündigt.
Die Gründe für die drastischen Ausstiegsmaßnahmen sind vielschichtig. Oft spielen eine mangelhafte Work-Life-Balance, Unzufriedenheit mit Führungskräften oder der Unternehmenskultur sowie fehlende Anerkennung eine zentrale Rolle. Die Covid-19-Pandemie war für viele Beschäftigte ein Anlass, ihre Prioritäten zu überdenken. Die erzwungene Rückkehr zur Präsenzarbeit und der Verlust der gewonnenen Flexibilität sind zusätzliche Auslöser für Loud Quitting. Ein weiterer Faktor ist die sich wandelnde Dynamik der Arbeitsverhältnisse, die mit häufigeren Jobwechseln und geringeren Barrieren einhergeht und damit die Entscheidung erleichtert, ungünstige Situationen aktiv zu verändern.
„Ich würde es wieder tun“
Die Ursache liegt häufig in der Kulmination langfristig aufgestauter Frustration. Margaux Pages, ehemalige Programmdirektorin an einer renommierten Schweizer Universität, beschreibt gegenüber U.S. News & World Report ihren lauten Abschied: "Es war ein emotional aufgeladener Abgang, der meine Familie und meine Kollegen schockierte. Aber es war die beste Entscheidung, die ich je getroffen habe." Pages nutzte ihren Abschied als Sprungbrett für eine Weltreise und gründete anschließend ihr eigenes Unternehmen.
Und Loud Quitting muss auch nicht von langer Hand geplant sein. Matthias Kupperschmidt, heute selbstständiger Analytics- und SEO-Berater, wollte eigentlich leise kündigen. Doch die Umstände führten zu einer drastischeren Entwicklung: "Nach Monaten von Überstunden erhielt ich eine Textnachricht von meinem Chef, der sofortige Antworten auf Geschäftsanfragen forderte, während ich seinen Hauptkunden betreute. Da beschloss ich, Stellung zu beziehen." Kupperschmidts Reaktion war deutlich: "Ich stand auf, ließ alles auf dem Schreibtisch liegen und ging, ohne mich zu verabschieden. Die Leute dachten, ich mache nur eine Pause." Diese spontane Entscheidung kostete ihn zwar ein halbes Monatsgehalt, doch für Kupperschmidt war es das wert: "Es war wichtig zu zeigen, dass eine Grenze überschritten wurde. Ich würde es wieder tun."
Für Unternehmen kann Loud Quitting erhebliche Folgen haben. Es kann den Unternehmensruf schädigen, sich negativ auf die Arbeitsatmosphäre auswirken und zu Produktivitätsverlusten führen. Jim Harter, Gallups Chef-Wissenschaftler für den Arbeitsplatz, betont: "Das Engagement der Mitarbeiter ist in unsicheren wirtschaftlichen Zeiten besonders wichtig geworden. Unsere Forschung hat gezeigt, dass Engagement in einer schwierigen Wirtschaftslage einen stärkeren Einfluss auf die Leistung von Organisationen hat."
Konsequenzen für Arbeitgeber und -nehmer
Auch für Beschäftigte ist Loud Quitting nicht empfehlenswert. Ein lautstarker Abgang kann sich kurzfristig zwar befreiend anfühlen, langfristig aber negative Folgen für die Karriere haben. Das Verhältnis zum ehemaligen Arbeitgeber ist nach einem solchen Eklat oft unwiderruflich beschädigt. Dies kann sich nicht nur in einem schlechten Arbeitszeugnis niederschlagen, sondern auch in Branchen mit engen Netzwerken zu Problemen führen. Im schlimmsten Fall könnte es sogar dazu kommen, dass man in der eigenen Branche keine Arbeit mehr findet.
Statt eines dramatischen Abgangs empfehlen Experten, zunächst das Gespräch mit den Vorgesetzten zu suchen. Oft kann eine offene Kommunikation über Bedenken, Hoffnungen und Erwartungen der erste Schritt zur Verbesserung der Situation sein. Sollte dies nicht fruchten, ist es ratsam, sich gezielt nach einem neuen Job umzusehen, der besser zu den eigenen Vorstellungen und Bedürfnissen passt und den Schriftverkehr im Kündigungsfall professionell zu halten.
Dabei ist es durchaus möglich, Kritik zu äußern, jedoch sollte dies auf eine sachliche und konstruktive Weise geschehen. Ein klarer, höflicher und prägnanter Ton ist dabei der Schlüssel. So stellt man sicher, dass einem nichts vorgeworfen werden kann und man unbelastet bleibt. Auch gegenüber zukünftigen Arbeitgebern.
Um Loud Quitting vorzubeugen und ein positives Arbeitsumfeld zu schaffen, können Unternehmen verschiedene Maßnahmen ergreifen. Regelmäßiges Feedback einholen und ernst nehmen, den Fokus auf das Wohlbefinden der Mitarbeiter legen und eine klare Kommunikation von Erwartungen und Zielen sind dabei zentrale Punkte. Harter zufolge ist "eine Kerngewohnheit für effektives Management, [...] jeder Person im Team wöchentlich bedeutungsvolles Feedback zu geben".
Letztlich weist Loud Quitting symptomatisch auf tieferliegende Probleme in der heutigen Arbeitswelt hin. Unternehmen, die proaktiv auf die Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter eingehen und eine positive Arbeitskultur schaffen, können nicht nur dieser und ähnlicher Praktiken vorbeugen, sondern auch von engagierten und zufriedenen Mitarbeitern profitieren.
Für Arbeitnehmer ist es empfehlenswert, trotz Unzufriedenheit professionell zu bleiben. Denn auch sollten offene Gespräche und konstruktives Feedback nicht mehr weiterhelfen, ist ein geordneter Übergang oft der bessere Weg.
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