Wie kann IT nachhaltiger werden? Einsatzbereiche und Initiativen im Überblick
Die nachhaltige und verantwortungsvolle Nutzung digitaler Dienste und des Internets wird in den kommenden Jahren einen wichtigen Beitrag zur Bewältigung der Klimakrise leisten. Green-IT-Experte Yannick Hirt gibt einen Überblick, wo im Unternehmen wirksame Initiativen umgesetzt werden können.
Von Yannick Hirt
Unsere Übersichtsreihe zur nachhaltigen IT:
- Nachhaltige IT: Der Schlüssel zu einer umweltfreundlicheren Zukunft
- Wie kann IT nachhaltiger werden? Einsatzbereiche und Initiativen im Überblick
- Nachhaltige Datenverarbeitung: Betrieb eines eigenen Rechenzentrums oder Wechsel in die Cloud?
- Von Wegwerfmentalität zur Wertschöpfung: Zirkuläre IT im Überblick
- Länger nutzen statt wegwerfen: So verlängern Remarketing, Refurbishing und Remanufacturing die Lebensdauer von IT-Produkten
Wir erweitern die Reihe Stück für Stück mit interessanten Themenartikeln und Übersichten – von Green IT über Kreislaufwirtschaft bis hin zu nachhaltiger Software und Infrastruktur. So könnt ihr eure IT fit für die Herausforderungen des Klimawandels machen und eine lebenswerte Zukunft sichern.
Laut einer Studie von The Shift Project war der Anteil der IT-Emissionen im Jahr 2019 mit rund 4 Prozent vergleichbar mit dem der Luftfahrtindustrie. Schätzungen gehen davon aus, dass dieser Anteil bis 2025 auf 8 Prozent ansteigen wird. Die Gründe hierfür sind vielseitig. Der Zugang zum Internet ist weltweit steigend, die dafür verwendeten Geräte werden stetig weiterentwickelt und neuproduziert. Der daraus resultierende Abfall wird noch nicht vollständig recycelt. Generell bedarf es also immer mehr Ressourcen, um den Bedürfnissen und Anforderungen der digitalen Welt gerecht zu werden.
Doch trotz der zunächst negativen Bilanz bietet die IT auch Chancen: Durch die digitalen Dienste und das Internet profitiert die Gesellschaft in hohem Maße. Dies betrifft auch die Nachhaltigkeit direkt und einhergehend die Bekämpfung des Klimawandels. Durch die IT können neue Lösungen entwickelt werden, welche die Nachhaltigkeit fördern und somit einen positiven Impact auf die Welt haben. Zur Maximierung der Chancen und Minimierung der negativen Aspekte setzt das Konzept der Sustainable IT an.
Workshops zum Thema
Was ist Sustainable IT?
Sustainable IT zielt grundlegend auf eine nachhaltige, ressourcenschonende und umweltverträgliche Nutzung der IT ab. Dabei werden Entscheidungen stets unter Berücksichtigung der ökologischen Auswirkungen getroffen. Es geht letztlich um die Balance zwischen dem verursachten ökologischen Fußabdruck und den erreichbaren Zielen.
Sustainable IT kann in drei Bereiche aufgeteilt werden. Diese sind:
- Nachhaltig in der IT
- Nachhaltig durch die IT
- IT für die Gesellschaft (IT for Society)
Nachhaltig in der IT: Bei der Nachhaltigkeit in der IT geht es vor allem um den Fußabdruck, den eine Organisation mit ihrer IT hinterlässt. Das umfasst beispielsweise die benötigten Ressourcen für den Betrieb und die Wartung der Infrastruktur, Rechenzentren oder sämtliche Hardware und Geräte im Unternehmen. Hierbei muss der Fokus darauf liegen, die verursachten Emissionen zu reduzieren.
Nachhaltig durch IT: IT bietet auch Möglichkeiten, den ökologischen Fußabdruck anderer Bereiche positiv zu beeinflussen. Deshalb geht es bei „Nachhaltig durch IT“ um jene Aspekte, bei denen IT genutzt wird, um eine Verbesserung der ökologischen Situation zu erzielen. Dies kann beispielsweise durch die Nutzung von Daten erzielt werden, die Optimierung von Prozessen durch die Digitalisierung oder besseres Management von Ressourcen durch die Unterstützung von digitalen Mitteln, wie IoT, künstliche Intelligenz oder Machine Learning.
IT for Society: Die gesellschaftlichen Auswirkungen und Einflüsse von IT dürfen im Kontext der Nachhaltigkeit nicht vergessen werden. Dabei geht es um Möglichkeiten und Potenziale, die eine Gesellschaft hat, wenn der Zugang und die Befähigung zu digitalen Mitteln, dem Internet und den Informationen gewährleistet ist. „IT for Society“ umfasst zum Beispiel Themen wie Bildung, technische Verantwortlichkeit, Minderheiten in der Tech-Branche oder soziale Verantwortung.
Wie können Unternehmen ihre IT nachhaltiger nutzen?
Immer mehr Industrien und Unternehmensbereiche kommen heute mit der Informationstechnologie und der digitalen Welt in Berührung. Die Möglichkeiten, die sich daraus ergeben, sind schier unendlich. Unternehmen haben daher zahlreiche Optionen, um ihre IT und digitale Infrastruktur auf umweltverträgliche und nachhaltige Weise zu nutzen. Dabei sollten sie sich jedoch auf zentrale Aspekte konzentrieren.
Aus IT-Perspektive können wir die Möglichkeiten in fünf Einsatzbereiche untergliedern: Infrastruktur, Hardware, Software, Prozesse sowie Soziales und Kultur. In jedem dieser Einsatzbereiche lassen sich Anwendungsfälle aus den Kategorien „Nachhaltig in der IT“, „Nachhaltig durch die IT“ und „IT für die Gesellschaft“ identifizieren.
Im Bereich der Infrastruktur liegt der Fokus hauptsächlich auf dem Betrieb. Hierbei können folgende Maßnahmen in Betracht gezogen werden:
- Betrieb der IT-Infrastruktur mit erneuerbaren Energien
- Betrieb von Rechenzentren an Standorten mit grünem Strommix
- Konsolidierung von Services und Steigerung der Auslastung
- Entfernen von ungenutzten Diensten und Systemen
Die Hardware ist aufgrund des belastenden Herstellungsprozesses durch die Gewinnung der Materialien und Ressourcen ein kritischer Aspekt in der nachhaltigen IT. Auch hier gibt es Möglichkeiten, wie Organisationen und Unternehmen besser werden können:
- Verlängerung von Hardwarelebenszyklen
- Beschaffung bei Notwendigkeit und mit Fokus auf Umweltsiegel für Geräte
- Verwendung von gebrauchter und generalüberholter Hardware
- „Device as a Service“-Modelle
Der Bereich Software darf rund um die nachhaltige Nutzung von IT nicht vernachlässigt werden. Die Art und Weise wie Software entwickelt und betrieben wird, kann einen großen Einfluss auf den Gesamtverbrauch des Gerätes und die Abnutzung haben. Zur Entwicklung von effizienterer Software können folgende Maßnahmen betrachtet werden:
- Außerbetriebnahme von Playground- und Sandbox-Umgebungen sowie von Legacy-Anwendungen
- Messung und Bewertung der CO₂-Effizienz des Applikations-Ökosystems
- Implementierung von Application Lifecycles
- Anwendung von Prinzipien des Green Software Engineering (z. B. ressourcenoptimierte Programmiersprachen, Containerisierung etc.)
- Aufnahme von “Sustainable by Design” als Anforderungskriterium
- Integration von Nachhaltigkeitsfeatures in die Anwendung
Auch der Bereich von Prozessen bietet Unternehmen und Organisationen viele Möglichkeiten, ihren Handabdruck in der Welt zu vergrößern und ihren Fußabdruck zu verkleinern:
- Digitalisierung von ressourcenintensiven Abläufen und Prozessen
- Standardisierung von Beschaffungsprozessen mit Nachhaltigkeitskriterien
- Etablieren und Sicherung von Entsorgungs- und Recyclingprozessen
- Energiemanagement-Zertifizierungen
- Implementierung von Carbon-Taxes- und Carbon-Pricing-Systemen
- Entwickeln von Sustainable-IT-Richtlinien
Im Bereich von Sozialem und Kultur gibt es Möglichkeiten, wie sich jede Person individuell beteiligen kann. Hinzu kommen gesellschaftliche Aspekte, welche durch die digitale Welt Mehrwert bieten:
- Aufräumen der E-Mail-Eingänge und Datenablage
- Verwendung geringerer Monitorhelligkeit und Dark Mode
- Technical Responsibility – Auswirkungen der eigenen Technik auf Gesellschaftsgruppen analysieren
- Bildung – Kurse und Bildungsmöglichkeiten zur Verfügung stellen
Sustainable-IT-Initiativen wirksam umsetzen
Unternehmen und Organisationen, die die IT ressourcenschonender, nachhaltiger und umweltverträglicher nutzen möchten, müssen bei der Initialisierung von Sustainable IT viele neue Aspekte beachten. Die wichtigsten dabei sind:
- Datengrundlage schaffen: Zuerst muss das Verständnis für den Fußabdruck einer Organisation geschaffen und die Datenbasis für Initiativen und Vorhaben entwickelt werden.
- Kritische Stakeholder einbinden: Das obere Management muss sämtliche Sustainable-IT-Initiativen unterstützen und vertreten und diese auch repräsentieren. Dies resultiert in einer höheren Akzeptanz.
- Dedizierte Ressourcen bereitstellen: Um einen wirksamen Fortschritt zu erzielen, müssen Organisationen dedizierte Personen oder Teams aufstellen, die sich mit dem Thema auseinandersetzen.
- PoCs und Leuchtturmprojekte: Aller Anfang ist schwer. Es müssen daher realistische und machbare Projekte identifiziert werden. Vor allem anfangs ist es wichtig, dass man sich in kleinen Schritten fortbewegt, um regelmäßige Erfolge zu feiern. Dies verkörpert eine gewisse Strahlkraft und dient zur Vermarktung des Themas intern wie extern.
Bild: KI-generiert mit Midjourney