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Nachhaltige Datenverarbeitung: Betrieb eines eigenen Rechenzentrums oder Wechsel in die Cloud?
Mit der ständig steigenden Datenmenge und den wachsenden Anforderungen an die IT-Infrastrukturen stehen Unternehmen vor der Entscheidung: Weiterhin ein eigenes Rechenzentrum betreiben oder lohnt sich ein Umstieg auf Cloudlösungen? Eine Analyse der Vor- und Nachteile beider Optionen für eine nachhaltige IT-Strategie.
Von Hannah Herbst
Unsere Übersichtsreihe zur nachhaltigen IT:
- Nachhaltige IT: Der Schlüssel zu einer umweltfreundlicheren Zukunft
- Wie kann IT nachhaltiger werden? Einsatzbereiche und Initiativen im Überblick
- Nachhaltige Datenverarbeitung: Betrieb eines eigenen Rechenzentrums oder Wechsel in die Cloud?
- Von Wegwerfmentalität zur Wertschöpfung: Zirkuläre IT im Überblick
- Länger nutzen statt wegwerfen: So verlängern Remarketing, Refurbishing und Remanufacturing die Lebensdauer von IT-Produkten
Wir erweitern die Reihe Stück für Stück mit interessanten Themenartikeln und Übersichten – von Green IT über Kreislaufwirtschaft bis hin zu nachhaltiger Software und Infrastruktur. So könnt ihr eure IT fit für die Herausforderungen des Klimawandels machen und eine lebenswerte Zukunft sichern.
Der Betrieb eines eigenen Rechenzentrums ermöglicht die vollständige Kontrolle über die verwendeten Technologien und deren Energieeffizienz. Unternehmen können gezielt in nachhaltige Technologien investieren, wie z. B. energieeffiziente Server oder Kühltechnologien, die Nutzung lokaler erneuerbarer Energiequellen oder die Verwertung der Abwärme. Diese individuelle Anpassung kann in einigen Fällen ökologische Vorteile bieten, wenn sie richtig umgesetzt wird. Allerdings geht dies vielfach mit hohen Kosten einher und fordert fortlaufende Innovationen, um mit den technologischen Entwicklungen Schritt zu halten. Die Errichtung und Wartung eines energieeffizienten Rechenzentrums erfordern aus diesem Grund erhebliche Investitionen, sowohl finanziell als auch in Bezug auf Fachwissen. Diese stetige Aktualisierung der Technologie zur Aufrechterhaltung der Energieeffizienz kann für viele Unternehmen eine Herausforderung darstellen.
Eine Optimierung der Energieeffizienz von Rechenzentren – oft ausgedrückt durch den Kennwert PUE (Power Usage Effeciveness, Optimalwert 1,0) – ist meist kostspielig und hat nur einen begrenzten Einfluss auf die Minderung der Emissionen. Laut einer Studie würden sich die CO₂-Emissionen nur um 15-20 Prozent reduzieren, wenn ein Unternehmen seine Ausgaben für Infrastruktur und Cloud verdoppeln würde.
Workshops zum Thema
Cloudlösungen glänzen mit Effizienz durch Skaleneffekte
Cloud-Provider und Colocation-Anbieter betreiben in der Regel große Rechenzentren (Hyperscaler), die auf hohe Energieeffizienz optimiert sind. Durch Skaleneffekte, eine höhere Auslastung und den Einsatz modernster Technologien können sie oft eine höhere Energieeffizienz erreichen als typische On-Premise-Alternativen, die von Unternehmen selbst betrieben werden. Die gebündelten Cloud-Workloads reduzieren die Auswirkungen, indem sie gemeinsam genutzte Ressourcen wie Netzwerke, Strom, Kühlung und physische Einrichtungen nutzen. Dadurch liegt der PUE der großen Provider oft zwischen 1,0 und 1,2 wohingegen der Durchschnitt deutscher Rechenzentren zwischen 1,5 und 2,0 liegt. Zudem investieren viele Anbieter in erneuerbare Energiequellen und streben vielfach eine klimaneutrale Betriebsweise an. In Teilen haben sie sich sogar eine CO₂-Negativität bzw. Klimapositivität zum Ziel gesetzt, sodass zusätzliches Kohlendioxid, welches beispielsweise durch frühere Geschäftstätigkeiten emittiert wurde, nachträglich aus der Atmosphäre entfernt wird.
Nachhaltigkeit der Cloud und Nachhaltigkeit in der Cloud
Nichtsdestotrotz ist ein Wechsel in die Cloud nicht automatisch die ökologischere Wahl. Neben der Nachhaltigkeit der Cloud-Infrastruktur, die durch den Provider sichergestellt wird, ist der User bzw. das nutzende Unternehmen für die Nachhaltigkeit der Daten und Anwendungen in der Cloud verantwortlich. Um die Cloud nachhaltig nutzen zu können, ist es wichtig zu wissen, wo die Grenzen der jeweiligen Verantwortlichkeiten liegen. So ist ein Cloudbetreiber für den nachhaltigen Betrieb der Cloud selbst verantwortlich, wobei der Kunde für den nachhaltigen Nutzen in der Cloud verantwortlich ist. Was dies genau umfasst, veranschaulicht die folgende Abbildung:
Eigene Darstellung in Anlehnung an Sustainability Pillar for AWS Well-Architected Framework (Bild: AWS)
Der Provider verantwortet, dass die Infrastruktur und der Betrieb der Cloud nachhaltig sind. Das beinhaltet unter anderem, wie die Stromversorgung der Datenzentren geregelt ist, die Kühlung der Datenzentren oder die Entsorgung von veralteter Hardware.
Nachhaltigkeit in der Cloud ist eine kontinuierliche Anstrengung des Users, die sich in erster Linie auf Energieeinsparung und Effizienz über alle Komponenten eines Workloads hinweg konzentriert. Dadurch wird der maximale Nutzen aus den bereitgestellten Ressourcen gezogen und die erforderlichen Gesamtressourcen minimiert. Diese Bemühungen können von der anfänglichen Auswahl einer effizienten Programmiersprache, der Einführung moderner Algorithmen, der Verwendung effizienter Datenspeichertechniken, der Bereitstellung in einer richtig dimensionierten und effizienten Recheninfrastruktur und der Minimierung der Anforderungen an leistungsstarke Endbenutzerhardware reichen. Zudem ist der User der Cloud für den gesamten Konsum verantwortlich. Dazu gehören zum Beispiel die Menge an übermittelten Daten, die Qualität der genutzten Software oder die Art der Plattformnutzung (Deployments, Scaling, etc.).
Vergleich verschiedener Anbieter sinnvoll
Jedoch unterscheiden sich die einzelnen Provider stark, was ihre Nachhaltigkeitsbemühungen betrifft. Für Unternehmen ist es daher durchaus sinnvoll, sich mehrere Angebote von Anbietern für eine Cloud-Migration einzuholen und neben der Kostenstruktur und Latenzzeiten ebenfalls die Nachhaltigkeit in den Fokus zu rücken. Folgende Kriterien können dabei beispielsweise in Betracht gezogen werden:
- Vorhandensein, Tiefe und Umfang der Nachhaltigkeitsstrategie
- (Zertifizierte) Nachhaltigkeitsberichterstattung
- Anerkannte Zertifizierungen oder Label für Rechenzentren
- Bezug (lokaler) erneuerbarer Energie
- Effiziente Ressourcennutzung
- PUE
- Standort
- Betrieb von Kreislaufwirtschaft
- (Selbst-)Verpflichtung, knappe Ressourcen zu schonen (z. B. Wasser oder seltene Erden)
- Klimaanpassungsmaßnahmen
Wirtschaftliche Überlegungen
Ein eigenes Rechenzentrum erfordert nicht nur Anfangsinvestitionen in Infrastruktur, sondern auch laufende Kosten für Wartung, Personal und Energie. Cloudlösungen bieten demgegenüber eine kosteneffiziente Alternative, da sie meistens nach Verbrauch abgerechnet werden und Unternehmen somit nur für die Ressourcen zahlen, die sie tatsächlich nutzen. Eine dynamischere Zuteilung von IT-Ressourcen führt daher zu einer effizienteren Nutzung. Durch Techniken wie Server-Virtualisierung und energieeffizientes Load Balancing können Cloudanbieter sicherstellen, dass die IT-Infrastruktur nur dann hohe Energie verbraucht, wenn es wirklich notwendig ist.
Darüber hinaus bietet die Cloud hohe Flexibilität und Skalierbarkeit, die besonders für Unternehmen mit schwankendem Ressourcenbedarf vorteilhaft ist. Dies ermöglicht eine effizientere Nutzung der IT-Ressourcen und kann zu weiteren Kosteneinsparungen führen.
Empfehlungen für den Wechsel
Die Entscheidung zwischen dem Betrieb eines eigenen Rechenzentrums und dem Wechsel zur Cloud ist für Unternehmen nicht nur eine Frage der Kosten und Effizienz, sondern zunehmend auch eine Frage der (ökologischen) Nachhaltigkeit. Hier einige Anregungspunkte, die ihr beachten solltet, wenn ihr euch mit dem Thema befasst:
Für eigene On-Premise-Lösungen:
- Überprüft euren gesamten Applikationsbestand und entfernt überflüssige und redundante Anwendungen.
- Nutzt oder wechselt zu energieeffizienterer Hardware und Architektur in eurem Rechenzentrum.
- Überwacht die Auslastung und den Energieverbrauch bis auf Rack-Ebene.
- Minimiert Datenmengen, wo es möglich ist.
- Nutzt KI und ML, um eure Auslastung und Kühlung im Rechenzentrum zu optimieren.
- Prüft die Möglichkeit der Rückgewinnung von Abwärme und Wasser und die Rückkopplung an einen lokalen Fernwärmeversorger.
- Erhebt Kennzahlen, um die Effizienz eures Rechenzentrums zu ermitteln und setzt Zielwerte.
Für den Wechsel in die Cloud:
- Wählt Provider und Einrichtungen, die nachweislich nachhaltige Praktiken anwenden.
- Überprüft euren gesamten Applikationsbestand und entfernt überflüssige und redundante Anwendungen.
- Ersetzt ressourcenintensive und ineffiziente Legacy-Systeme im Portfolio durch Enterprise-Cloudlösungen, die eure ERP-, CRM-, SMC- und E-Commerce-Lösungen unterstützen.
- Nutzt oder wechselt zu Providern, die kohlenstoffarme Netzwerke nutzen.
- Verschiebt Workflows in Cloudregionen, in denen erneuerbare Energien genutzt werden.
- Minimiert Datenmengen, wo es möglich ist.
Die Migration in die Cloud hat oft einen größeren positiven Einfluss auf die Nachhaltigkeit als die Optimierung von Rechenzentren. Dadurch und einhergehend mit einer optimierten Cloudnutzung können Unternehmen die Emissionen ihrer IT zum Teil um mehr als 55 Prozent reduzieren – Prognosen zufolge um bis zu 40 Megatonnen CO₂ weltweit. Während große Cloudanbieter durch ihre Investitionen in effiziente Technologien und erneuerbare Energien oft einen vergleichsweise kleineren ökologischen Fußabdruck haben, bieten eigene Rechenzentren die Möglichkeit, spezifische, auf das Unternehmen zugeschnittene Nachhaltigkeitsziele zu verfolgen. Letztlich hängt die beste Wahl von den spezifischen Bedürfnissen und Zielen jedes Unternehmens ab sowie von seiner Bereitschaft, in nachhaltige Technologien zu investieren. Für Unternehmen, die Flexibilität und Skalierbarkeit priorisieren und gleichzeitig einen Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten möchten, kann die Cloud eine attraktive Lösung sein.
Über die Autorin: Hannah Herbst ist Consultant beim IT-Beratungsunternehmen Rewion GmbH und spezialisiert auf Sustainable IT, Green IT und Energieeffizienz. Sie verfügt über umfassende Erfahrung in der Beratung von Unternehmen und der öffentlichen Hand. Ihr Fokus liegt auf der Integration von nachhaltigen und zukunftsorientierten IT-Lösungen, die sowohl die Umwelt schützen als auch den digitalen Fortschritt fördern.
Bild: Freepik.com