40 Prozent weniger Manager, 23 Prozent mehr Wachstum: Bayers Weg zur Agilität

40 Prozent weniger Manager, 23 Prozent mehr Wachstum: Bayers Weg zur Agilität

Bayer eliminiert einen Großteil seiner mittleren Führungsebene und verzeichnet deutliches Wachstum in Nordamerika. Der radikale Organisationsumbau zeigt, wie Hierarchie-Abbau die Unternehmensagilität steigern kann.  

In der Pharmaindustrie sind Umstrukturierungen keine Seltenheit. Dennoch hat Bayer in den vergangenen Monaten einen ungewöhnlich tiefgreifenden Wandel vollzogen: In der US-Pharmasparte wurden rund 40 Prozent der mittleren Führungsebene abgebaut. Angesichts wirtschaftlicher Herausforderungen entschied das Unternehmen, Entscheidungswege zu verkürzen und die Organisation agiler zu gestalten.

Strategischer Umbau unter neuer Führungsstruktur

Diese Maßnahme ist Teil des im Jahr 2023 eingeführten Transformationsprogramms Dynamic Shared Ownership, das unter der Leitung von CEO Bill Anderson und COO Sebastian Guth den Abbau interner Bürokratie und die Verlagerung operativer Verantwortung näher an die operativen Einheiten zum Ziel hat.


Als symbolischen Akt schaffte Bayer 99 Prozent seines 1.362-seitigen Unternehmenshandbuchs ab. Klassische Budgetziele entfielen, und die Verantwortung für Entscheidungen wurde verstärkt auf Produkt- und Kundenteams übertragen. Parallel dazu wurde die Führungsebene verkleinert: Die Anzahl der Mitglieder im pharmazeutischen Leitungskreis wurde von 11 auf 5 reduziert, während das übergeordnete Führungsgremium von 14 auf 8 Personen schrumpfte.


Zudem wurden bislang getrennte Bereiche – Onkologie, Marketing, Medical Affairs und weitere – in einer neuen globalen Kommerzialisierungseinheit zusammengeführt. Flankierend investierte Bayer in Qualifizierungsmaßnahmen für die verbleibenden Fach- und Führungskräfte, um die neuen Strukturen wirkungsvoll zu unterstützen.


Im Anschluss an die Umstrukturierung verzeichnete Bayer ein Wachstum von 23 Prozent im nordamerikanischen Markt im ersten Quartal. Entscheidungswege wurden verkürzt, Prozesse beschleunigt, und die Teams erhielten größere Entscheidungsspielräume bei der Ressourcenverteilung. Intern wird die Entwicklung als Indikator für die Wirksamkeit des neuen Modells gewertet.

Der Trend zur flachen Organisation

Bayer steht mit dem Ansatz nicht allein da. Unternehmen verschiedener Branchen experimentieren zunehmend mit flacheren Hierarchien, um Agilität und Innovation zu fördern. Das spanische Luft- und Raumfahrtunternehmen Indaero erzielte nach der Einführung von sieben selbstverwalteten Teams und der Eliminierung von fünf Managementebenen 50 Prozent Umsatzwachstum und verdoppelte die Gewinne innerhalb eines Jahres.


Valve, der Entwickler der Steam-Plattform, praktiziert seit Jahren ein Selbstmanagement-Modell, bei dem Angestellte frei wählen können, an welchen Projekten sie arbeiten. W.L. Gore, bekannt für Gore-Tex, setzt auf eine Gitterstruktur, die peer-getriebene Zusammenarbeit ermöglicht. In den Niederlanden reduzierte das Pflegeunternehmen Buurtzorg durch selbstverwaltete Teams die Verwaltungskosten um 25 Prozent und verbesserte gleichzeitig die Patientenzufriedenheit.


Auch Faang-Unternehmen wie Microsoft, Amazon und Google haben mittlere Managementebenen reduziert, um schnellere Entscheidungsfindung und größere Agilität zu erreichen. Das kalifornische Tomatenverarbeitungsunternehmen Morning Star räumt seinen Angestellten weitreichende Autonomie ein und konnte so die unternehmensweite Innovationskraft stärken. Das brasilianische Unternehmen Semco lässt seine Angestellten sogar ihre Gehälter selbst festlegen.

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Herausforderungen bei der Umsetzung

Jedoch haben nicht alle Versuche der Hierarchie-Abflachung positive Ergebnisse. Medium, die Blogging-Plattform, gab ein Holokratie-Experiment auf, weil die langsame Abstimmung zwischen Teams und spaltende Entscheidungsprozesse das Wachstum behinderten. Amazon Web Services berichtete nach der Hierarchie-Abflachung über eine erhöhte Meeting-Belastung und Mikromanagement, da Manager mehr direkte Untergebene betreuen mussten.


Ein häufiges Problem entsteht, wenn informelle Hierarchien die formellen ersetzen. Persönlichkeitsbasierte Machtdynamiken können Verwirrung und Unmut schaffen, wo zuvor klare Strukturen existierten. Bei einigen Unternehmen führte die diffuse Verantwortlichkeit zu Unklarheiten über Zuständigkeiten. Angestellte wussten nicht mehr, wer wofür verantwortlich war.


Skalierbarkeit stellt eine weitere Herausforderung dar. Was bei kleinen bis mittelgroßen Organisationen funktioniert, kann bei größeren Unternehmen zu Koordinationsproblemen führen. Zudem beklagen Angestellte in flachen Organisationen oft begrenzte Aufstiegsmöglichkeiten, was talentierte Kräfte demotivieren kann.

Strategische Implementierung entscheidend

Edith Cooper, Mitgründerin von Medley, argumentiert, dass Unternehmen sich darauf konzentrieren sollten, organisatorische Engpässe zu identifizieren und zu beseitigen, anstatt einfach Stellen zu streichen. Auch Sebastian Guth von Bayer betont, dass umfassende Umstrukturierungen strategisch und partizipativ sein sollten, damit Teams Einfluss auf die Veränderungen haben.


Die Erfolgsgeschichten zeigen gemeinsame Muster: Effektive Hierarchie-Abflachung funktioniert am besten, wenn sie strategisch implementiert wird, mit Investitionen in Weiterbildung gepaart ist und auf die spezifischen Bedürfnisse der Branche zugeschnitten wird. Technologie- und Gesundheitssektoren zeigen stärkere Erfolgsraten als Fertigungs- oder bürokratische Bereiche.


Die gemischten Ergebnisse verdeutlichen, dass die Reduzierung von Hierarchieebenen kontextabhängig funktioniert. Während Unternehmen wie Meta und Citigroup Gewinne verzeichneten, verdeutlichen Fälle wie Medium die Risiken schlechter Umsetzung. Der Trend unterstreicht eine Verschiebung hin zu verteilter Führung, erfordert aber eine sorgfältige Balance zwischen Autonomie und Struktur.


Bayers Transformation steht noch am Anfang, doch die ersten Ergebnisse sind vielversprechend. Ob sich dieser Ansatz langfristig bewährt, wird die Zeit zeigen. Sicher ist jedoch: In einer sich schnell wandelnden Geschäftswelt können traditionelle Hierarchien Innovationsgeschwindigkeit und Anpassungsfähigkeit beeinträchtigen.


Bild: Freepik.com

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