KI im Handel: Wie dm mit intelligenten Chatbots die Einkaufserfahrung revolutioniert

Wie die IT-Tochter dmTECH eigene KI-Lösungen entwickelt, warum der Fachkräftemangel Produktivitätssteigerungen erfordert und wie Kunden vom digitalen Shopping-Assistenten profitieren – ein Gespräch mit Geschäftsführer Roman Melcher.
Mit über 4.100 Filialen und rund 90.000 Mitarbeitenden zählt dm-drogerie markt zu den größten Drogerieketten Europas. Für die digitale Infrastruktur sorgt dmTECH, die Technologietochter des Unternehmens. Mehr als 1.400 Mitarbeitende entwickeln dort IT-Lösungen für Online-Shop, App, Filialsysteme und Logistik. Im Fokus stehen dabei intelligente Technologien wie Cloud-Services, Data Analytics und zunehmend auch Künstliche Intelligenz.
Die Entwicklung von KI-gestützten Systemen ermöglicht es dmTECH, interne Prozesse effizienter zu gestalten und den Kundenservice weiterzuentwickeln – etwa mit einem eigenen KI-Chatbot, der sowohl im Unternehmen als auch im Kundenkontakt zum Einsatz kommt.
Im Interview erläutert Roman Melcher, Geschäftsführer von dmTECH, welche Rolle KI in den kommenden Jahren für den Handel spielen wird, wie die Technologie schon heute Arbeitsabläufe und Kundeninteraktionen verändert und warum dm sich frühzeitig auf die Herausforderungen des demografischen Wandels einstellt.
Interessierte haben die Möglichkeit, Kolleg:innen von Roman Melcher und weitere Unternehmensvertreter:innen persönlich beim kommenden Karrieretag Familienunternehmen am 6. Juni 2025 kennenzulernen. Bewerbungsschluss ist der 12. Mai 2025.
Wie steht ein Einzelhandelsunternehmen wie dm zu neuen Technologien, wie zuletzt KI?
Als Händler stehen wir allem technologisch Neuen zunächst einmal positiv gegenüber und prüfen, ob wir es verwenden können und es unsere Prozesse verbessert. Denn Prozesseffizienz ist seit jeher das zentrale Thema im Handel. Deutschland ist schon sehr lange das Land mit den günstigsten Lebensmittel- und Drogeriepreisen in Europa. Um diese niedrigen Preise machen zu können, muss man die besten Prozesse haben, das ist entscheidend. Daran arbeiten wir pausenlos. Deshalb untersuchen wir jede relevante neue Technologie und natürlich auch KI im Hinblick darauf, wie sich dadurch Prozesse verbessern lassen.
dmTECH hat als IT-Dienstleister der dm-Gruppe einen eigenen KI-basierten Chatbot entwickelt. Warum haben Sie das gemacht?
Als ChatGPT im November 2022 veröffentlicht wurde, war uns sofort klar, welches Potenzial in der generativen KI steckt. An sogenannten Natural-Language-Prozessen, also dem Sprachverstehen durch Maschinen, wurde schon viele Jahre zuvor gearbeitet. Aber es stand nicht die hohe Rechenleistung zur Verfügung, die man dafür brauchte und die wir heute haben. Deswegen sind mit dieser Sprachverarbeitung jetzt bahnbrechende Erfolge möglich. Das, was wir schon von der Bildbearbeitung her kannten, war auf einmal auch mit Sprache möglich: Eine Maschine versteht Sprache und kann sie selber generieren. Wir waren von daher sofort davon überzeugt, dass man diese neue Entwicklung nutzen kann, um noch produktiver zu arbeiten.
Wie ist das Feedback der Mitarbeitenden?
Schon im Frühjahr 2023, kurz nachdem ChatGPT herauskam, haben wir eine eigene sogenannte Instanz aufgebaut. Wir haben das Sprachmodell, das ChatGPT zugrunde liegt, genommen und es in eine eigene Cloud-Umgebung gebracht. Die ist für Dritte unzugänglich. Dadurch wird unser Chatbot den Auflagen der Datenschutzverordnung DSGVO gerecht. Inzwischen haben wir einerseits dmGPT als internes Tool für alle rund 90.000 Mitarbeitenden in 14 Ländern und andererseits dmKI für unsere Kundinnen und Kunden. Außerdem nutzen wir generative KI auch in Prozessen.
Zum Beispiel in unserem Serviceportal. Dort kann man sich melden, wenn es um technische Fragen, Defekte und dergleichen geht. Seit wir unseren KI-Chatbot dort einsetzen, haben die Anfragen an unsere Servicemitarbeitenden um 30 Prozent abgenommen. Der KI-Chatbot entlastet die Menschen von routinemäßigen Tätigkeiten. Da sind Maschinen einfach besser als der Mensch. Wir Menschen können uns mit der so frei werdenden Zeit den Dingen zuwenden, die wir viel besser als die Maschinen können.

dmGPT im Einsatz.
Wenn die Menschen entlastet werden, wird man nicht mehr so viele brauchen, oder?
Wir werden viel weniger haben. Wir haben heute 45 Millionen Erwerbstätige. Schätzungen gehen davon aus, dass wir in den nächsten sieben bis acht Jahren durch den Renteneintritt der Babyboomer-Generation etwa zehn Prozent der Erwerbstätigen in Deutschland verlieren. Die jungen Menschen, die auf den Arbeitsmarkt kommen, können diesen Schwund nicht kompensieren. Die zehn Prozent sind ersatzlos weg. Der Umsatz ist aber nicht kleiner. Es gilt also, diesen Verlust durch zehn Prozent Produktivitätssteigerung ausgleichen, sonst können wir die Menschen nicht mehr versorgen. Richtig ist aber auch, dass es Tätigkeiten von Menschen geben wird, die die KI komplett ersetzen kann.
Was machen diese Menschen dann?
Alle Beschäftigten sollten sich heute schon fragen, welche Tätigkeiten in zehn Jahren noch gebraucht werden und welche möglicherweise nicht. Wenn man sich rechtzeitig darauf einstellt, hat man auch dann gute Chancen am Arbeitsmarkt. Das ist eine Aufgabe, die übrigens nicht nur Beschäftigte haben. Auf der anderen Seite haben die Unternehmen die Aufgabe, die Menschen auf diesen Veränderungsprozess einzustimmen. Je früher man sich mit KI beschäftigt und je früher die Menschen sehen, was diese Maschinen können, desto schneller können sie sich auf das konzentrieren, was gebraucht wird. Ich bin relativ sicher, dass die Menschen, die das erkennen und die sich auf den Weg machen, in zehn Jahren nicht arbeitslos sein werden. Zumal wir bereits heute in unserer Gesellschaft unterversorgte Tätigkeiten haben, die auf absehbare Zeit nur Menschen machen können.
Was hat der Kunde vom KI-Chatbot?
Er hilft unseren Kundinnen und Kunden, sich bei dm zu orientieren. Unser Sortiment ist in vielen Teilen einfach, in anderen aber auch beratungsintensiv. Wenn es etwa um Hautpflege geht, um Haar-Colorationen oder auch Nahrungsergänzungsmittel, treten Fragen auf, die man nicht einfach über eine Google-Recherche beantwortet bekommt. Heute gehen die Kundinnen und Kunden zu den dm-Mitarbeitenden. Diese sind als Drogist ausgebildet und kennen sich aus. Alternativ kann sich die Kundin oder der Kunde über den KI-Chatbot dmKI aber auch selber Zugang zu den Informationen über ein Produkt verschaffen. Sie brauchen dazu nicht in einen dm-Markt zu gehen. Wir stellen uns vor, dass wir in Zukunft über den KI-Chatbot vielen anbieten können, was es bei dm an Kundenkontakten gibt.
Weil er natürliche Sprache versteht?
Ja, Kunden können eine Mensch-Maschine-Schnittstelle bedienen, weil sie für sie natürlich ist. Hinzu kommt, dass die Maschine sehr gut versteht, was Kunden wissen wollen. Bei einer Google-Suche bekommt man häufig eine Liste mit 40 oder 50 Treffern. Dann muss man darunter wieder selbst auswählen, denn nicht jeder Treffer ist gut. Mit den generativen Systemen wird die Ergebnismenge oft schon sehr verringert und zugespitzt. Dadurch wird das Ergebnis präziser, wenngleich noch immer die Gefahr des Halluzinierens besteht, also der Falschinformation. Aber die Gefahr des Halluzinierens ist in einem geschlossenen System, wie sie unsere KI-Tools sind, kleiner als in der weiten Welt des Internets. Unser KI-Chatbot dmKI greift nur auf unsere Artikeldatenbank zurück. Kunden bekommen verlässliche Antworten. Unser KI-Chatbot dmKI kann noch mehr als Produktberatung. Wer zum Beispiel sein Bild hochlädt, kann Lippenstifte ausprobieren und sehen, welche Farbe einem steht. Natürlich werden unsere Kunden trotz dmKI auch immer unsere Mitarbeitenden als Ansprechpartner finden, wenn sie es wünschen.
Das Interview wurde ursprünglich auf karriere-familienunternehmen.de veröffentlicht.
Interview: Bärbel Brockmann
In dieser Reihe haben wir die selbstgewählten Personenbezeichnungen der Interviewpartner beibehalten. Dadurch entstehen Unterschiede in der Genderschreibweise.
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