Freelancer integrieren: Vom Einzelkämpfer zum Teamplayer
(Bild: David Ramos/Getty Images)
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Die Zahl der IT-Freelancer in Unternehmen wächst. Für Auftraggeber wird die Integration in bestehende Teams daher immer wichtiger. Doch die ist oft nicht einfach.
Die Verlockung ist groß: Sie sind kurzfristig einsetzbar, flexibel und nicht dauerhaft ans Unternehmen gebunden. Brauchen IT-Firmen schnellen Code, setzen sie auf Freelancer. Schon jetzt machen 70 Prozent der Firmen in Deutschland das so, wie eine Studie von IDG Research Services ergab.
Für die Studie wurden online mehr als 1.000 Unternehmen verschiedener Branchen sowie Freelancer mit unterschiedlichen Tätigkeitsgebieten befragt. Zwei Drittel der Unternehmen erklärten, den Anteil dieser Externen in Zukunft zu erhöhen. Holt ein Unternehmen aber jemanden von außen, besteht immer die Gefahr, dass Freelancer und Team nicht gut zusammenarbeiten und die Kooperation vor Abschluss eines Projekts beendet wird.
Albert Vallendar hat Freelancer kommen und gehen sehen. "Einige sind zu schreckhaft, andere zu mutig", sagt der Geschäftsführer des Personaldienstleisters IT-Impulse, der mit mehr als 150 IT-Fachkräften im Kundenauftrag Software entwickelt.
Ob die Integration klappt und der Freie bis zum Projektende bleibt, liegt aber freilich nicht nur an ihm. Oft gibt es im Team Neid wegen der vermeintlich besseren Bezahlung und der größeren Freiheiten von Freelancern. "Gerade junge Teams haben oft Vorbehalte", sagt Vallendar. "Dann kann es in der Zusammenarbeit schnell knirschen."
Um das zu vermeiden, raten Experten dazu, möglichst früh Voraussetzungen zu schaffen, damit die Integration funktioniert. "Eine gelungene Zusammenarbeit mit einem Freelancer oder einer Freelancerin beginnt bereits vor dem ersten Arbeitstag mit der Auswahl", sagt Axel Singler, Managing Director bei Umantis.
Das Unternehmen bietet als Tochter der Haufe Group, einem Anbieter von Unternehmenslösungen, webbasiertes Talentmanagement an. Dass Firmen bei der Integration von Mitarbeitern noch viel verbessern können, belegt eine Haufe-Umfrage unter 616 HR-Verantwortlichen mehrheitlich mittelständischer Unternehmen in Deutschland.
Demzufolge springen 30 Prozent der rekrutierten neuen Mitarbeiter schon vor dem ersten Arbeitstag wieder ab. "Vielleicht, weil sie sich wenig willkommen fühlen oder vom neuen Arbeitgeber bis zum ersten Arbeitstag nichts mehr gehört haben", heißt es in der Studie. Fast vier von fünf HR-Fachleuten sehen daher Verbesserungspotenzial.
Singler empfiehlt ein zweistufiges Vorgehen: ein erstes Bewerbungsgespräch mit dem Team und ein zweites mit der oder dem zukünftigen Vorgesetzten. Hierbei ist allerdings wichtig, die Bewerber nicht mit dem ganzen Team in Kontakt zu bringen, sondern mit einer Delegation. "Die Bewerber dürfen sich nicht einem Tribunal gegenüber sehen. Gespräche mit Freelancern müssen auf Augenhöhe stattfinden", sagt Singler. Die Entscheidung, ob jemand den Job bekommt, solle das Team treffen.
"Die Teamkultur muss stimmen. Die Vorgesetzten sollten dann nur noch ein finales Veto haben", sagt Singler. Um Skepsis im Team gegenüber Freien zu zerstreuen, ist es zudem sinnvoll, den Kollegen die Gründe für die Einstellung von Freelancern zu erläutern.
Bei Dienstantritt dürften die freien IT-Spezialisten zudem nicht sich selbst überlassen werden, sagt Singler. Der Arbeitsplatz sollte bereits mit allen notwendigen IT-Systemen eingerichtet sein, so dass er oder sie gleich loslegen kann.
"Einen besonderen Blick sollten Chefs auch auf die soziale Integration werfen." Das gilt trotz der härteren Bedingungen auch in Coronazeiten. "Der Wegfall von Teamsitzungen erschwert es, Freelancer zu integrieren und ihnen die übergeordnete Vision eines Projektes zu vermitteln", sagt Singler.
Er unterstreicht die Bedeutung von Videokonferenzen für das Teambuilding. "Die virtuelle Kaffeepause wird umso wichtiger." Fehlen die örtliche Nähe und damit kurze Kommunikationswege, sollten Auftraggeber besonders auf die Dokumentation der geleisteten Arbeit des Freien achten. Hier kann die Einrichtung oder Pflege eines Wikis helfen.
Stößt ein Freelancer persönlich zum Team, erwartet er oder sie meist auch abseits des Arbeitsplatzes Hilfe: "Wo kann der neue Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin in der ersten Zeit übernachten, wie lässt sich der Umzug regeln, gibt es Fahrgemeinschaften? Solche Fragen sollte ein Arbeitgeber beantworten können", sagt Singler.
Um den Verwaltungsaufwand für derlei Aufgaben zu minimieren, gibt es auch sogenannte Onboarding-Apps. Personalverantwortliche hinterlegen dort den für die Firma individuellen Onboarding-Prozess - etwa mit einem Zeitplan, Ansprechpartnern und Terminen der Freelancer. So erhalten neue Mitarbeiter die wichtigsten Infos auf ihrem Smartphone.
IT-Impulse-Geschäftsführer Vallendar empfiehlt darüber hinaus, ähnlich wie beim Onboarding-Prozess von Festangestellten, eine Patenschaft für neue Freelancer. "Paten sollten nicht nur bei Fragen zum Arbeitsablauf Bescheid wissen, sondern auch nach Feierabend die Integration vorantreiben. Das kann beispielsweise durch ein Abendessen mit dem ganzen Team geschehen oder bei einem Teamevent." Hier unternähmen Auftraggeber vor allem bei Freelancern oft noch zu wenig.
Freelancer ihrerseits gelten oft als Spezialisten, die für die Lösung eines klar definierten Problems an Bord geholt werden. Diese vermeintliche fachliche Überlegenheit dürfen sie keinesfalls ausspielen, um den Teamspirit nicht zu gefährden. "Ihr habt vor meiner Zeit ja großen Mist gemacht." Ein solcher plakativer Vorwurf ans Team sei ein Kardinalfehler, sagt Vallendar und werde häufiger begangen als vermutet.
Gemeinsam gegen Scheinselbstständigkeit
Aus Sicht der Freiberufler ist übrigens die größte Herausforderung bei Projekten im Team nicht die Integration, sondern es sind die regulativen Anforderungen des Staates. "Die stetige Sorge um den Status der Scheinselbstständigkeit und der damit verbundene bürokratische Aufwand kann die Leistungsfähigkeit schmälern und dadurch das gesamte Team belasten", sagt Michaela Mellinger. Die Münchenerin ist selbst Freelancerin und berät IT-Firmen vor allem beim Change Management.
Tatsächlich bestätigen laut der IDG-Studie vier von fünf Freelancern, dass Auftraggeber Statusfeststellungsverfahren verlangen. Für Freelancer bedeutet das nicht nur die Erledigung bürokratischer Pflichten, es ist auch nicht ohne Risiko. Denn Auftraggeber können die vermeintlich freien Mitarbeiter auch in Regress nehmen, falls sich im Verfahren herausstellt, dass eine Scheinselbstständigkeit vorliegt.
Das Verfahren bei der Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung kann von den Freelancern selbst, aber auch von den Auftraggebern beantragt werden. "Hier sollten Chefs unterstützen, wenn sie eine langfristige Team-Zugehörigkeit des Freelancers anstreben", sagt Mellinger.