Das Ich-Manual: Diese Firma lässt Mitarbeiter Anleitungen über sich schreiben
Eine Kölner Marketingagentur geht neue Wege in der Mitarbeiterkommunikation: Jeder Beschäftigte erstellt eine persönliche Bedienungsanleitung mit Vorlieben und Arbeitsweisen. Was zunächst kurios klingt, ist ein interessantes Werkzeug für bessere Teamarbeit und weniger Missverständnisse im Büroalltag.
In der Kölner Marketingagentur Linn Media gibt es für neue Angestellte eine besondere Einstiegsaufgabe: Sie erstellen eine persönliche „Bedienungsanleitung“, die darüber informiert, wie sie am liebsten kommunizieren, was sie frustriert und wie sie am besten Feedback annehmen. Linn Marie Wandrowsky, Gründerin und Geschäftsführerin der Agentur, hat dieses Modell eingeführt, um Missverständnisse zu reduzieren und das Verständnis im Team zu fördern. „Oft gehen wir davon aus, dass unser Gegenüber genauso tickt wie wir“, erklärt Wandrowsky gegenüber der Wirtschaftswoche. „Eine Bedienungsanleitung hilft, diese Annahmen zu hinterfragen und effizienter miteinander zu arbeiten.“
Die Unternehmensleiterin wurde von einem Video inspiriert, in dem ein US-amerikanischer CEO eine „Anleitung“ über sich selbst vorstellte, um so Transparenz und Offenheit in seiner Firma zu fördern. Basierend auf verschiedenen Vorlagen und Fragen aus dem Internet hat Wandrowsky einen eigenen Fragebogen entworfen, der Angestellte anleitet, ihre Kommunikations- und Arbeitspräferenzen zu teilen. Neben sechs Stammkräften haben auch drei neue Teammitglieder das Dokument ausgefüllt, in dem sie individuelle Vorlieben und Erwartungen festhalten.
Mehr als nur Smalltalk und Feedback
Zu den Fragen gehören etwa, wie man am liebsten Feedback erhält, ob Smalltalk vor einem Gespräch erwünscht ist oder ob direkt zur Sache gekommen werden soll. Weitere Punkte umfassen Frustrationen, Entscheidungsvorlieben und Teamdynamiken. Die Geschäftsführerin stellt den Angestellten frei, wie sie das Dokument gestalten – manche erstellen detaillierte Präsentationen, während andere kurze Stichpunkte wählen.
Nach der Erstellung des Dokuments wird es für alle Angestellten zugänglich abgelegt. Wandrowsky spricht anschließend mit jedem Teammitglied persönlich über die Anleitung und gibt ihnen die Möglichkeit, die Ergebnisse auch im Team-Meeting vorzustellen. Ein solches Vorgehen kann helfen, den persönlichen Austausch zu vertiefen und schafft von Anfang an eine Vertrauensbasis im Team. So können Kollegen bei stressigen Tagen auf ihre Anleitung verweisen und Missverständnisse vermeiden.
Der Geschäftsführerin geht es dabei nicht nur darum, die Kommunikation im Team zu verbessern, sondern auch das Selbstbewusstsein der Mitarbeitenden zu stärken, indem sie sich Gedanken über ihre eigenen Arbeitspräferenzen und Kommunikationsbedürfnisse machen. „Viele denken überhaupt zum ersten Mal darüber nach“, schrieb sie in ihrem ursprünglichen Linkedin-Beitrag und löste damit eine Flut an Kommentaren aus, in denen Leser berichteten, wie hilfreich ein solcher Ansatz auch in anderen Unternehmen sein könnte.
Vertrauen und Transparenz als Basis
Nach anfänglicher Skepsis sieht die Geschäftsführerin das Modell als Erfolg. Auch Personalexperte Frank Kohl-Boas vom Bundesverband der Personalmanager betont, dass solch eine Anleitung eine niedrigere Hemmschwelle schaffen kann, individuelle Präferenzen auszudrücken. Gerade schüchterne Angestellte tun sich leichter, ihre Wünsche auf diese Weise schriftlich darzulegen, als sie im direkten Gespräch anzusprechen.
Dennoch sieht Kohl-Boas auch mögliche Herausforderungen. Ein solches System könnte Erwartungen schaffen, dass Teammitglieder stets entsprechend der Anleitung handeln – was in der Realität kaum umsetzbar ist. Flexibilität sei nach wie vor entscheidend, betont der Personalexperte. Neue Angestellte könnten dazu neigen, Antworten so zu gestalten, wie sie denken, dass das Unternehmen es erwartet.
Dennoch sieht Wandrowsky Potenzial für den Einsatz solcher Fragebögen auch in größeren Organisationen. Sie glaubt, dass Teams – unabhängig von ihrer Größe – von der Möglichkeit profitieren könnten, individuelle Bedürfnisse und Kommunikationsstile transparent zu machen. Die Einführung solcher Instrumente, so Wandrowsky, könne allerdings eine HR-Abteilung voraussetzen, die dieses Experiment leitet und das Team entsprechend unterstützt.
Neue Wege in der Mitarbeiterkommunikation
Neben der Einführung persönlicher Bedienungsanleitungen wie bei Linn Media setzen Unternehmen zunehmend auf kreative und vor allem digitale Lösungen, um die interne Kommunikation zu optimieren und das Engagement zu fördern.
Eine der populären Lösungen sind Mitarbeiter-Apps, die als mobiles Intranet funktionieren und es ermöglichen, alle Angestellte unabhängig von ihrem Arbeitsort – ob Büro, Homeoffice oder Produktion – zu erreichen. Unternehmen wie Flip – quasi eine Slack-Alternative für das produzierende Gewerbe – bieten solche Plattformen an, um eine einfache und zeitnahe Kommunikation zu fördern und das Team über aktuelle Entwicklungen zu informieren. Durch die mobile Erreichbarkeit können Informationen schneller verbreitet und wichtige Updates ohne Verzögerung kommuniziert werden.
Video-Content und Storytelling für authentische Führungskommunikation
Kurze Videoformate haben sich ebenfalls in der internen Kommunikation etabliert. Führungskräfte nutzen Videos, um Botschaften direkt und authentisch zu vermitteln. Videos ermöglichen es, komplexe Inhalte auf unterhaltsame Weise zu präsentieren, was eine höhere Aufmerksamkeit und schnellere Informationsaufnahme bei den Mitarbeitenden bewirkt. Gleichzeitig fördern sie die Nähe zwischen Management und Belegschaft und schaffen eine Ebene der Transparenz und Nachvollziehbarkeit, die gerade in dezentralen und hybriden Arbeitsmodellen wichtig ist. Neben persönlichen CEO-Botschaften werden Videos auch eingesetzt, um interne Prozesse zu erklären, Neuzugänge einzuarbeiten und Veranstaltungen zu bewerben. Kurze Videos für FAQs oder Town Hall Updates helfen zudem, das Gemeinschaftsgefühl zu stärken und die Mitarbeitenden direkt in wichtige Unternehmensentwicklungen einzubinden.
Zur Steigerung des Mitarbeiterengagements setzen manche Unternehmen auch auf interaktive Kampagnen, wie Umfragen und Quizze. Diese ermöglichen den Angestellten, direkt Feedback zu geben und sich stärker eingebunden zu fühlen. Auch Storytelling – etwa in Form regelmäßiger Blogs von Führungskräften oder Mitarbeiterporträts – gewinnt an Bedeutung. Es erlaubt, Informationen durch Geschichten zu vermitteln und die Bindung zur Unternehmenskultur zu stärken.
Personalisierung und zielgerichtete Ansprache
Marketingtechniken wie personalisierte und zielgerichtete Nachrichten (z.B. in Form der oben beschriebenen Videos) finden mittlerweile ebenfalls Einzug in die interne Kommunikation. Mit diesen Methoden lassen sich spezifische Mitarbeitergruppen gezielt ansprechen und relevante Informationen bedarfsorientiert bereitstellen. Dies erhöht nicht nur die Relevanz der Kommunikation, sondern hilft auch, das Vertrauen und die Bindung zum Unternehmen zu stärken.
Angesichts einer allgemeinen Vertrauenskrise setzen viele Firmen auf eine offene Kommunikationskultur. Digitale Tools gewähren Angestellten Einblicke in Unternehmensprozesse und ermöglichen Transparenz, wodurch Vertrauen aufgebaut wird. Für die Herausforderungen der Distanz-Arbeit haben manche Unternehmen außerdem kreative Lösungen entwickelt, wie virtuelle Kaffeepausen oder digitale Team-Events, um trotz räumlicher Trennung den Teamzusammenhalt zu fördern.
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