So kommen mehr Frauen in die IT! (1/2)
Die Schwestern Lena und Laura aus Hamburg sagen: „Be an ITgirl!“ und zeigen, wie mehr junge Frauen für Tech-Berufe begeistert werden können. Auf ihrem Blog Itgirls.de, auf Social Media und in Workshops erzählen sie von ihrem eigenen Weg und informieren über Berufsbilder und Einstiegsmöglichkeiten.
Dies ist der erste Teil unseres zweiteiligen Interviews. Den zweiten lest ihr hier.
Karrierewelt Ratgeber: Mit ITgirls zeigt ihr, wie ihr selbst euch für IT-Themen begeistert habt und erklärt, wie Frauen in die Tech-Branche einsteigen können. Wie seid ihr auf die Idee zu diesem Projekt gekommen?
Lena: Ich habe BWL studiert, als duales Modell im Wechsel zwischen Hochschule und Unternehmen, und habe dort erst verstanden, was eigentlich IT ist oder was Programmieren bedeutet. Denn bei uns beiden hat es in der Schule keine Rolle gespielt und wir kennen auch niemanden im Bekannten- und Familienkreis, der in diesem Bereich arbeitet. Ich habe also erst im Job verstanden, was IT macht und welche verschiedenen Aspekte es dort gibt. Das Thema hätte auch direkt nach der Schule sicherlich schon gut zu mir gepasst, aber es gab keine Person, die gesagt hat: ‚Schau dir das mal an!‘. Als ich dann meinen Master in IT-Management und Consulting an der Uni Hamburg begonnen habe, habe ich nach Erfahrungsberichten von Frauen gesucht, die sich ähnlich orientiert haben. Es gab kaum IT-Blogs mit weiblichen Bloggerinnen und wenn ich bei YouTube nach ‚Coding‘ und ‚Women‘ gesucht habe, ist das meistgeklickte Suchergebnis ‚CodeBabes‘: Coding-Tutorials mit knapp bekleideten Frauen. Also habe ich meine Schwester Laura auf das Thema angesprochen, die seit Längerem darüber nachgedacht hatte, einen Master in Data Science zu machen.
Laura: Lena meinte zu mir, dass wir doch einfach beide unseren Weg aufschreiben sollten, wie wir den Quereinstieg in die IT gegangen sind – und dem Thema damit ein jüngeres, weiblicheres Gesicht geben könnten. So ist die Idee zu ITgirls entstanden. Es sollte erst nur ein Blog mit Erfahrungsberichten sein. Wir haben dann kurz nach den ersten Blogbeiträgen unsere Erfahrungen auch bei Instagram und Linkedin geteilt und später dann auch bei Tiktok. So ist aus der ursprünglichen Idee ziemlich schnell eine richtige Initiative geworden und wir haben viele Anfragen und sehr viel Support bekommen.
Laura von den ITgirls
Ihr seid also selbst Teil eurer eigenen Zielgruppe bei ITgirls?
Laura: Genau! Wir schreiben für Mädchen und Frauen mit ähnlichem Interesse an dem Thema und einer gewissen Neugier. Dabei sind wir auch vom Alter her noch nicht so weit entfernt von den Jüngeren, die noch zur Schule gehen. Wir können sie also in einer Weise ansprechen, dass es sie auch tatsächlich erreicht.
Wie genau macht ihr das?
Lena: Vor allem sehr persönlich. Wir schreiben nicht nur sachliche Informationen zusammen, sondern es sind wirklich Erfahrungsberichte. Und unsere Geschichten sind ja noch nicht zu Ende geschrieben: Wenn jemand rückblickend über seine Karriere schreibt, der oder die jetzt schon eine viel höhere Position hat, ist das natürlich auch interessant, aber mit unseren Texten können sich junge Frauen besser identifizieren. Wir sind selbst noch am Anfang unserer Karriere und wissen, welche Fragen man sich da stellt.
Laura: Uns ist auch wichtig, dass wir die Themen runterbrechen und leicht verständlich schreiben. Wir schicken jeden Text immer jemandem, der oder die nichts mit IT zu tun hat, und fragen, ob alles verständlich ist. Wer in der IT arbeitet, weiß in der Regel, was ein Frontend und was ein Backend ist. Aber wenn man damit noch nie was zu tun hatte, weiß man es vielleicht nicht. Wir möchten, dass unsere Artikel sich wirklich für den Einstieg eignen. Wir wollen aus unserem Blickwinkel berichten und für die IT begeistern.
Wisst ihr, ob auch junge Männer eure Inhalte lesen?
Lena: Genaue Zahlen kennen wir nicht, aber wir wissen aus Gesprächen, dass sich auch Männer für unsere Texte interessieren. Wir sprechen aber natürlich sehr gezielt junge Frauen an und zeigen beispielsweise auch auf den Fotos Mädchen.
Welche Ziele setzt ihr euch?
Laura: Es ist erwiesen, dass sich grundsätzlich Mädchen genauso für mathematisch-naturwissenschaftliche Themen interessieren wie Jungen, aber dass Jungen tendenziell häufiger Berührungspunkte damit haben, sie für sich als Hobby erkennen, in der Schule als Wahlpflichtkurs wählen und auch von Medien oder in der Berufsberatung eher darauf gestoßen werden. Mädchen tendieren eher nicht dazu, sich auf Mathe oder IT-Fächer zu konzentrieren. Da wollen wir gegenwirken und selbst Vorbilder sein.
Lena von den ITgirls
Was gefällt euch selbst so an der IT?
Lena: Mich beeindruckt sehr, wie vielfältig die IT ist. Wenn man Programmieren hört oder ITler, dann denken wahrscheinlich die meisten, dass man da die ganze Zeit vor dem PC sitzt und Codes schreibt – aber das ist es nicht. Es gibt super viele Berufe in der IT. Das hat mich persönlich wirklich überrascht. Ich denke, dass viele Angst vor Mathe haben und glauben, IT ist sehr viel Mathe. Aber es macht nur einen sehr kleinen Teil aus. Viel mehr Raum nehmen Problemlösekompetenzen, Kommunikation und Kreativität ein. Denn wenn ich beispielsweise ein Tool anbieten will, muss ich Fragen beantworten wie: Was braucht meine Zielgruppe wirklich? Wie kann ich diese Probleme mit dem Tool lösen? Wie entwickle ich das? Was mich auch überrascht hat, ist, dass man Technologie quasi überall findet. Wenn wir mit Schülerinnen sprechen, frage ich immer: "Was ist dein Lieblingsfach?" Wenn die Antwort beispielsweise Kunst lautet, dann kann man nachhaken, ob sie schon mal was vom Beruf der UX-Designerin gehört hat. Das ist jemand, der sich damit beschäftigt, wie du auf deiner Website oder in einem Tool agierst.
Vielen jungen Menschen ist es wichtig, dass ihr Job einen gesellschaftlichen Impact hat. Das war für dich auch ein wichtiges Argument, richtig?
Lena: Absolut. Technologie beeinflusst unser Leben und unsere Berufswelt sehr und wenn man in IT-Berufen arbeitet, kann man das mitgestalten. Deshalb ist ein Job mit Tech-Schwerpunkt auch für alle interessant, die sich für gesellschaftliche Fächer wie Soziologie, Politikwissenschaften oder Ethik interessieren. Das war mir in der Schulzeit noch nicht bewusst, weil es dort gar nicht transportiert wurde.
Ihr sprecht auch viel mit Frauen, die schon in der IT arbeiten. Welche Erfahrungen machen sie?
Lena: Wir kennen super viele Frauen, die sagen: "Ich hatte keine Lust mehr, die einzige Frau bei mir im Team zu sein." Die haben teilweise auch ihren Job gewechselt, weil sie gesagt haben, ich habe da drei Jahre für mich gekämpft und auch versucht, mehr Frauen zu gewinnen oder das Unternehmen darauf aufmerksam zu machen, dass der Frauenanteil höher sein sollte. Aber es hat nicht funktioniert. Das hat sie dann auch abgeschreckt. Auch im Studium ist es nicht einfach, wenn du eine von ganz wenigen Frauen bist. Die Männer vernetzen sich, haben dann ihre Zockerabende und so weiter – da werden Mädchen oft einfach nicht eingeladen. Entsprechend schwer ist es, Anschluss zu finden, und man fühlt sich schnell isoliert.
Laura: In den Unternehmen ist es auch eine Kulturfrage: In gemischten Teams ist die Zusammenarbeit anders, als wenn nur wenige oder keine Frauen dabei sind. Da muss man diesen Kipppunkt erreichen, dass eine gewisse Anzahl an Frauen da ist – dann fühlen sich davon wiederum auch mehr Frauen angezogen. Und das ist auch inhaltlich wichtig, wenn man immer wieder von blinden Flecken hört, wie dass beispielsweise weibliche Stimmen von Sprach-KIs schlechter erkannt werden. Wenn Frauen im Team sind, machen sie auf solche Schieflagen aufmerksam. Mehr Frauen in die IT zu bringen, hat also auch wichtige langfristige Konsequenzen und die sind für uns auch ein großer Motivationsfaktor für das, was wir mit ITgirls machen.
Den zweiten Teil des Interviews lest ihr hier.
Bilder: www.itgirls.de