Gehaltstransparenz bringt mehr Klicks und Bewerbungen

Gehaltstransparenz bringt mehr Klicks und Bewerbungen - Golem Karrierewelt

Im Kampf gegen Fachkräftemangel könnte Gehaltstransparenz in Stellenanzeigen den Unterschied machen, Interesse wecken und mehr Bewerbungen anziehen.

Der Fachkräftemangel beschäftigt die deutsche Wirtschaft. Insbesondere die IT-Branche steht mit 137.000 nicht besetzten Stellen vor der Herausforderung, qualifizierte Bewerber für offene Stellen zu finden. Eine mögliche Lösung könnte in der Transparenz der Gehaltsangaben liegen, denn Firmen, die Gehälter in Stellenanzeigen nennen, verzeichnen höhere Klickraten und mehr Bewerbungen.

Mehr Interesse und mehr Bewerbungen

Laut einer Stellenanzeige-Analyse von Stepstone führt die Offenlegung von Gehaltsinformationen in Stellenangeboten zu einer Steigerung der Klickrate um bis zu 30 Prozent im Vergleich mit ähnlichen Anzeigen ohne Gehaltsangabe. Aber nicht nur das Interesse wird mit Gehaltstransparenz erhöht. Der Hamburger Onlinegame-Entwickler Innogames hat die Gehaltsspannen von 80 Prozent seiner knapp 430 Mitarbeiter veröffentlicht und konnte damit die zeitnahe Besetzung lange vakanter Stellen erreichen.

Die Jobplattform germantechjobs.de setzt die Angabe von Gehaltsspannen oder –summen in Stellenanzeigen voraus und fördert damit die sich – langsam – etablierende Praxis in der Branche, aus der Entlohnung keinen Hehl mehr zu machen. Es wird sicher noch ein Weilchen dauern, bis sich das Tabuthema Gehalt von seinen Schamhandschellen lösen kann. In Deutschland ist es üblich, das Gehaltsthema erst in der finalen Phase des Bewerbungsgesprächs zu besprechen. Was Zeit, Geld und Nerven bis zur letztendlichen Entscheidung strapazieren kann — finden auch Jobsuchende.

86 Prozent der Jobsuchenden macht sich ein Unternehmen laut einer Umfrage mit offenem Gehaltsumgang sympathisch — unabhängig von der Höhe des Gehalts. Knapp 80 Prozent der Befragten sind für eine generelle Gehaltstransparenz. Und das in einem Klima, in dem das Gehalt nicht nur ein bedeutender Jobaspekt, sondern immer noch das wichtigste Jobwechsel-Kriterium ist.

Unternehmen noch nicht überzeugt

Wenn Jobsuchende Offenheit fordern, warum wird dann in Deutschland mit der Gehaltsfrage so verschwitzt umgegangen? Unternehmen sehen den ersten Spielzug gerne beim Gegenüber, um mit entsprechend größerem Verhandlungsspielraum reagieren zu können. Ohne offengelegte Gehaltsspanne wird auch vermieden, dass Bewerber sich auf das obere Ende einschießen oder dass eine Stelle nur aufgrund der Vergütung angenommen wird.

Ein weiteres Problem liegt bei der Stimmung unter den bereits Beschäftigten. Ein gewisser Anteil wäre sicher damit unzufrieden, dass das eigene Einkommen offen einsehbar ist. Darüber hinaus könnten subjektiv gefühlte Unfairness und Konflikte zwischen Arbeitnehmern und/oder Arbeitgeber entstehen. Der größte Aspekt ist wohl jedoch, dass eine Offenlegung der Gehälter in Deutschland schlicht nicht rechtlich vorgegeben ist.

Schon Gesetz in anderen Ländern

Andere Länder gehen hier andere Wege: In Österreich ist es Gesetz, dass in Stellenanzeigen ein konkretes Mindestgehalt angegeben werden muss. Auch in Großbritannien, den USA und Australien müssen Unternehmen bereits eine Gehaltsbandbreite in der Stellenausschreibung angeben. In Schweden setzt man sogar auf völlige Transparenz – hier kann man im jährlich erscheinenden Steuerkalender nachschauen, wie viel der Kollege oder Vorgesetzte verdient (mit Einschränkungen).

Zwar gibt es in der Europäischen Union keine gesetzlichen Bestimmungen zur Gehaltsangabe, allerdings sollen EU-weit gültige Vorschriften zur Lohntransparenz den Grundsatz der Lohngleichheit für Männer und Frauen ausbauen. In Deutschland schreibt das bestehende Entgelttransparenzgesetz bereits vor, dass Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit gleich bezahlt werden müssen.

Gehaltstransparenz nur eine Frage der Zeit

Die Frage ist letztlich, ob deutsche Unternehmen den Trend der Gehaltstransparenz in Stellenanzeigen ignorieren können oder sich anpassen müssen, um im Wettbewerb um qualifizierte Fachkräfte bestehen zu können. Die Erfahrung zeigt, dass ein offener Umgang mit dem Thema Gehalt nicht zwangsläufig zu einer Verschlechterung der Qualität der Bewerbungen führt. Vielmehr kann dies dazu beitragen, dass Unternehmen und Bewerber gleichermaßen ihre Erwartungen abgleichen und somit eine bessere Passung von Qualifikation und Gehalt erreicht wird.

In Deutschland – und der EU – wird es wohl nur noch eine Frage der Zeit sein, bis auch hier Pflichtangaben zum Gehaltsrahmen in Stellenanzeigen eingeführt werden. Dies würde nicht nur Bewerbern Klarheit verschaffen, sondern auch Unternehmen dazu zwingen, sich intensiver mit der Vergütung ihrer Mitarbeiter auseinanderzusetzen. Um den richtigen Kandidaten für die jeweilige Position auszuwählen, wird es an den Unternehmen liegen, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Gehaltsangaben und individuellen Vereinbarungen zu finden und dabei die Vorteile von Transparenz und Flexibilität sinnvoll zu nutzen.

 

Bild: cottonbro studio / pexels

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