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Corona und IT: Arbeiten ganz ohne Geschäftsreisen
Für manche in der IT mag er ein Segen sein, für andere ist er projektgefährdend: der coronabedingte Wegfall von Geschäftsreisen.
Ob zur Integration von Offsite-Teams, als Freiberufler in Projekten oder zu Tagungen, Messen oder Fortbildungen: Für viele IT-Beschäftigte waren Geschäftsreisen lange ein selbstverständlicher Teil des Jobs. Ob viel oder wenig reisend, ob reisefreudig oder nicht - mit dem Beginn der Pandemie änderte sich beim Thema Dienstreisen alles. Mit unterschiedlichen Auswirkungen: Waren die einen froh oder fanden es zumindest nicht problematisch, war die neue Situation für andere existenzbedrohend.
Manche Dienstreisen sind ein bisschen wie Urlaub
Für diejenigen, die vor der Pandemie wenig beruflich reisten, waren Dienstreisen vor allem ein kleiner Bonus: Es fühlt sich ein bisschen wie ein Urlaub an, nur dass tagsüber ein paar Stunden Arbeit, Lernen oder eine Tagung anstehen.
Ganz anders ist das für Freiberufler. Viele von ihnen waren vor der Pandemie fast jede Woche unterwegs. Ob in regelmäßigen kurzen Einsätzen oder bei längerfristigen Projekten: Die Reisen zum Kunden gehörten dazu. Zwar konnte auch schon vor der Pandemie ein Teil der Arbeit zu Hause erledigt werden, immer ging das aber nicht.
Zum Beispiel bei Projekten, bei denen aus Sicherheitsgründen nur vor Ort beim Kunden gearbeitet werden konnte. Oder bei Projekten, in denen die Rolle des Freiberuflers so viel Kommunikation beinhaltete, dass es sehr viel sinnvoller war, sich vor Ort aufzuhalten - jedenfalls nach Kundenmeinung, die nicht immer deckungsgleich mit der Meinung des Freiberuflers war.
Nicht so schön ist, um 5 Uhr morgens zum Flughafen zu hetzen
Hier hatte die Pandemie zumindest einen positiven Effekt: Es zeigte sich nämlich schnell, ob es sich seitens der Kunden um vorgeschobene Gründe handelte oder ob eine Präsenz wirklich nötig war. Manche Projekte gingen nämlich einfach im Homeoffice weiter, die anderen wurden auf Eis gelegt.
Bei den weitergeführten Projekten waren dementsprechend viele glücklich, eine Zeit lang keine Nächte mehr in langweiligen Hotelräumen verbringen zu müssen, nicht um 5 Uhr morgens auf die Autobahn einbiegen oder zum Bahnhof oder Flughafen hetzen zu müssen - und stattdessen mehr Zeit zu Hause mit dem Lebenspartner oder der ganzen Familie verbringen zu können.
Die Freude über mehr gemeinsamen Alltag war anfangs zwar in aller Regel groß. Nur dass der "Alltag" eben anders aussah und zum Beispiel nicht mit Restaurant- und Kinobesuchen, Kneipenabenden und Einkaufsbummeln aufgelockert werden konnte. Vielmehr waren etwa durch Lockdown und Homeschooling ganz neue Herausforderungen zu bewältigen.
Zudem kann die gemeinsame Zeit bei aller Freude gewöhnungsbedürftig sein. Wer sonst viel reist, aber plötzlich viel zu Hause ist, stört mitunter die Gewohnheiten der anderen, die schon immer mehr zu Hause waren.
Kaum ist der Koffer verstaut, kommt wieder Reiselust auf
Davon abgesehen finden manche Menschen Dienstreisen einfach nur schön. Spätestens wenn der Koffer für das Wochengepäck aus der Nische im Flur auf den Kleiderschrank im Schlafzimmer wandert und der Reisebedarf wie Zahnpasta, Duschgel und Extra-Kabel längst wieder Bestandteil des heimischen Haushalts geworden sind, wollen viele wieder zurück auf die Straße oder Schiene.
Und das, obwohl diese Reisen so selten das halten, was man sich davon verspricht: In einer anderen Stadt zu arbeiten, bedeutet eben nicht, nach Büroschluss ständig Party zu machen oder sich mit den Kollegen jeden Abend in einem anderen guten Restaurant den Bauch vollzuschlagen. Wenn Reisen Alltag ist, bedeutet es oft auch einsame Abende in einem Hotel mit unattraktivem Fernsehprogramm und irgendwelchem Fast Food. Die Highlights sind dann, wenn die Bettdecke groß genug ist, die Matratze den eigenen Härtevorlieben entspricht und das Bad sauber ist.
Selbst das Hotel-WLAN ist häufig zu langsam oder zu instabil. Oder man hat ein Zimmer weit weg vom nächsten Access Point erwischt und verlässt sich lieber auf das Datenvolumen des eigenen Smartphones. Eigentlich ist das auch alles gar nicht so schlimm, weil es bei dem Job ja ums Geldverdienen geht - und je früher man morgens im Büro ist, desto mehr Geld kann verdient werden. Party machen geht auch zu Hause, normalerweise sogar besser.
Für viele Freiberufler sind Dienstreisen eine absolute Notwendigkeit
Neben dem Drang, auf Reisen zu gehen, weil es (eventuell) so toll ist, gibt es aber noch einen anderen: den Drang, auf Reisen zu gehen, weil man auf der Suche nach einem neuen Projekt ist.
Sei es, weil das bisherige Projekt ausgelaufen ist, sei es, weil ein Projekt eingestellt wurde, das die Umstellung auf komplett remote nicht geschafft hat. Schließlich ist die Bereitstellung eines Firmen-VPN mit ausreichend Kapazität für alle Mitarbeiter nicht gerade einfach und wurde bei manchem Projekt sogar als Vorwand genutzt, zusätzliche Kräfte abzubauen oder das Projekt erst mal ganz auf Eis zu legen.
Dass neue Projekte 2020 kaum zu finden waren, berichten Kollegen ebenso wie die großen Projektvermittler. Schließlich waren und sind Unternehmer, die Projekte beauftragen, von der Ungewissheit betroffen, wie lange das mit der Pandemie noch dauert und in welcher Form. Wer konnte, verschob ein Projekt - bis Verschieben keine Option mehr war, sondern gestartet oder auf das Projekt verzichtet werden musste.
Abgesagt oder verschoben: Für Freiberufler, die mit diesen Projekten geplant hatten, bedeutete das Verdienstausfall, in vielen Fällen komplett. Auch wenn sich die Situation in den meisten Projekten inzwischen wieder entspannt hat, wird die Sache mit dem "rein remote" von Arbeitgebern gerne als Argument für einen Versuch verwendet, den Stundensatz zu drücken. Die beste Antwort darauf: "Das ist bei dem Satz bereits beachtet."
An der Schnittstelle zur Produktion geht nichts ohne direkten Kontakt
Die Fälle, in denen eine persönliche Anwesenheit nötig ist, gibt es übrigens tatsächlich, etwa bei Gadgets für das Internet der Dinge, die neben Software aus einer speziellen Hardware bestehen. Ist ein solches Projekt so weit fortgeschritten, dass Software und Prototyp fertig sind und es an die Produktion von Seriengeräten gehen soll, ist es einfach oft notwendig, an der Produktionsstätte vor Ort zu sein - und die befindet sich nun einmal meist in Asien.
Es ist etwas ganz anderes, ein Produkt persönlich erklären zu können, als nur einen Stapel CAD-Dateien für die Einzelteile plus eine Anleitung zum Zusammenbauen über das Internet zu schicken. Die persönliche Anwesenheit hilft beim schnellen Beantworten von Fragen und bei der Beseitigung von Problemen. Versuche können wirklich angefasst und nicht bloß abgefilmt werden. Vor Ort arbeitet man in der gleichen Zeitzone und das persönliche Kennenlernen hilft, kulturelle und sprachliche Missverständnisse zu vermeiden.
Klar, manche persönliche Anwesenheit ist auch hier nur subjektiv hilfreich. Zum Beispiel ist durchaus fraglich, ob Elon Musks Übernachtungen in der Tesla-Fabrik in Fremont tatsächlich dazu geführt haben, dass der Fertigungsprozess des Model 3 schneller anlaufen konnte. Viele Programmierer kennen das auch umgekehrt: Wenn der Chef stundenlang über die Schulter schaut, wird es keinesfalls früher fertig.
Und wenn Corona überstanden ist? Reisen alle wieder los?
Sicher werden nicht alle zu ihren bisherigen Reisegewohnheiten zurückkehren, wenn die Pandemie vorbei ist. Manche haben vielleicht erst durch den Wegfall des Reisens gemerkt, wie viel Zeit in Auto oder Zug verloren gegangen ist. Klar, man kann auch im ICE arbeiten, zumindest ein bisschen und wenn es nicht gar so voll ist.
In der ersten Klasse geht es normalerweise etwas besser, aber rechnen kann man damit nicht. Denn vielleicht steigt man in Hannover in einen ICE nach Berlin, dessen erste Klasse zu einem Drittel mit BVB-Fans besetzt ist, die sich zum Spiel bei der Hertha diesen besonderen Reiseluxus gönnen und die letzten Stunden mit viel Biertrinken verbracht haben.
Wer häufig reist, erlebt zudem oft Dinge, von denen andere nur hören und die stressen: die kaputte Klimaanlage im ICE; das unangekündigte Fehlen des Bordbistros; dass der ICE 2 am frühen Morgen erst mal nur aus einem halben Zug besteht und die Hälfte mit dem reservierten Sitzplatz leider fehlt (und dafür der andere Teil bis unters Dach mit Pendlern vollgestopft ist).
Oder dass sich ein kaputter ICE gerade noch in einen Provinzbahnhof rettet und die Bahn den Reisenden vorschlägt, mit dem IC auf dem Nachbargleis weiterzufahren - was nicht einer gewissen Komik entbehrt, angesichts des mit fünf Wagen ausgestatteten IC-Zuges im Vergleich zu dem voll besetzten ICE.
Im Auto gibt es wiederum andere Probleme wie etwa Vollsperrungen der Autobahn. Mit Glück dauert das nur drei oder vier Stunden, mit Pech schneit man irgendwo auf der A9 zwischen Hirschberg und Triptis an einem Winternachmittag ein, so dass gegen 22 Uhr Helfer durch die trotz laufendem Motor mit Schnee bedeckten Fahrzeugschlangen gehen und sich versichern, dass noch alle leben.
Definitiv genug für ein Leben gereist
Manchmal sind es aber auch weniger drastische Erlebnisse, die den letzten Anstoß geben, um festzustellen, dass man genug beruflich unterwegs war.
Ein Bekannter aus Studienzeiten bekam diese Einsicht (allerdings schon lange vor Corona) durch einen Schaffner der Deutschen Bahn: Inzwischen in Würzburg wohnend, war er fast täglich in Sachen Datenbanken in ganz Deutschland mit dem ICE unterwegs.
Auf einer Fahrt von Düsseldorf nach Berlin sagte der Schaffner kurz vor der Fahrscheinkontrolle: "Herr Müller, lassen Sie mal, ich kenne Sie ja und weiß, welche Bahncard Sie haben." Die Erkenntnis, nach Jahren auf der Schiene offenbar bundesweit den Schaffnern im ICE namentlich bekannt zu sein, führte für ihn persönlich zu dem Entschluss, sich endlich etwas Ortsfestes zu suchen.
Bild: Ketut Subiyanto / Pexels