Quereinsteiger: Mit dem Master in die IT
(Bild: privat)
Ein Bericht von Peter Ilg veröffentlicht am
Bachelorabsolventen von Fachhochschulen gehen überwiegend sofort in den Job. Einen Master machen sie später und dann gerne in IT. Studienangebote für Quereinsteiger gibt es immer mehr.
In den vergangenen Jahren haben viele Hochschulen Masterstudiengänge für die formale Qualifikation von Quereinsteigern in die IT geschaffen. Die Studierenden haben davor ein Natur-, Ingenieur- oder geisteswissenschaftliches Bachelorstudium abgeschlossen. "Mit dem anschließenden Master in IT verbessern Quereinsteiger ihre Berufschancen deutlich", sagt Christian Koot, Studiendekan mehrerer IT-Studiengänge an der Hochschule Aalen.
Die Nachfrage ist groß, denn in vielen Studiengängen konkurrieren die Absolventen später im Job mit vielen ähnlich Qualifizierten. "Mit einem Abschluss in IT ist der Wettbewerb um Stellen wesentlich geringer, weil es viele Jobs gibt", sagt Koot. Der Hightech-Verband Bitkom meldete Mitte Dezember 86.000 offene Stellen für IT-Fachkräfte. Die Vergütung sei hoch und die Gefahr von Arbeitslosigkeit gering, erklärt Koot. Das alles sind gute Gründe für einen Wechsel aus der ursprünglichen Fachrichtung heraus.
Tim Knechtel ist gerade dabei, diesen Schritt mit seiner Masterarbeit abzuschließen. Der 32-Jährige hat sein BWL-Studium in Trier mit dem Schwerpunkt Organisations- und Informationsmanagement Anfang 2017 mit dem Bachelor abgeschlossen und bei Encevo in Luxemburg als Business Process Analyst angefangen.
"Ich modelliere digitale Geschäftsprozesse, analysiere und implementiere sie mittels Process-Mining, etwa den Hausanschluss für die Energieversorgung", sagt Knechtel. Darüber wusste er bereits nach seinem Bachelorstudium etwas, denn sein Schwerpunkt hatte bereits einen nennenswerten Anteil an IT.
Encevo ist eine Holding mit mehreren Firmen, die wesentlichen davon sind Energieerzeuger und Netzbetreiber. Knechtel hat dort ein Praktikum gemacht und seine Bachelorarbeit geschrieben. Anschließend wurde er übernommen. Sein Berufseinstieg ist damit ein typischer.
Dass junge Menschen mit dem Bachelor erst das eine und mit dem Master später noch etwas anderes studieren, ist im System eigentlich angelegt. Die Bologna-Reform sollte genau diese Flexibilität bringen, mit dem ab 2002 in Deutschland eingeführten zweistufigen System von Hochschulabschlüssen nach dem Vorbild der angloamerikanischen Länder mit Bachelor und Master. Das dahinterliegende Prinzip: Das Bachelorstudium gilt als erster berufsqualifizierender Abschluss, darauf baut der Master auf.
In den USA liegen zwischen Bachelor und Master oft einige Jahre
Beide Ausbildungsabschlüsse sind voneinander entkoppelt. Ein Master muss nicht sein, kann aber, und das zu jedem Zeitpunkt nach dem Bachelor. In angloamerikanischen Ländern liegen zwischen Bachelor und Master häufig einige Jahre, was mit dem Prinzip des lebenslangen Lernens dort zu tun hat.
Bei uns ist dieses Vorgehen zweigeteilt. Nach Auskunft der Hochschulrektorenkonferenz entschließt sich die Mehrheit der Studierenden nach dem Bachelorstudium zur Aufnahme eines Masterstudiums, jedoch zeigten sich deutliche Unterschiede zwischen Universitäten und Fachhochschulen: An Universitäten ist der Übergang ins Masterstudium mit einem Anteil von 90 Prozent der Regelfall. Nur wenige Studierende verlassen mit dem Erstabschluss die Hochschule, sondern viele hängen den Master direkt an.
An Fachhochschulen ist die Übergangsquote deutlich niedriger, rund 60 Prozent verlassen die Fachhochschulen nach ihrem Bachelorabschluss. Wenn dann ein Masterstudium folgt, ist es berufsbegleitend und es liegt oft schon eine Berufstätigkeit dazwischen. So war das auch bei Tim Knechtel.
Drei Jahre nach seinem Bachelor fing Knechtel an, Data Science und Business Analytics an der Hochschule Aalen zu studieren - berufsbegleitend, "so kann ich Berufliches und Privates verbinden und musste meinen interessanten Job nicht aufgeben".
Einmal pro Monat finden am Freitag und am Samstag Präsenzvorlesungen statt. Dazu kommen drei- bis fünfmal monatlich Online-Vorlesungen und Projekte. Alles andere ist Selbststudium. "Ich komme pro Monat auf fünf Tage Lernen", sagt Knechtel.
Das Studium lief besser als erwartet, weil der Zeitaufwand fürs Studieren geringer war als gedacht und weil es in Luxemburg mit 20 Tagen in zwei Jahren doppelt so viel Bildungsurlaub gibt wie in Deutschland. "Damit kam ich gut hin und brauchte nur wenige Tage von meinem regulären Urlaub fürs Studium", sagt Knechtel.
Während des Bildungsurlaubs läuft das Gehalt weiter. Vier Semester hat Knechtel nun studiert, das fünfte ist seine Masterarbeit. Mit der hat er kurz vor dem Jahreswechsel angefangen.
Das Studium kostet rund 10.000 Euro. Manche Arbeitgeber beteiligen sich an den Kosten oder mit bezahlter Freizeit an einer berufsbegleitenden Weiterbildung ihrer Mitarbeiter. Als Gegenleistung binden die sich für einige Jahre ans Unternehmen.
Knechtel finanziert und organisiert sein Studium selbst und hofft, mit dem Masterabschluss eine Gehaltserhöhung zu bekommen. Mit einem höheren Gehalt amortisieren sich die Ausgaben fürs Studium.
Hochschule Aalen hat drei dieser Studiengänge
Sein Job im Geschäftsprozessmanagement war vor Beginn seines Masterstudiums bereits IT-lastig. "Data Science und Business Analytics sind zusätzliche Fachgebiete, die ich im Studium gelernt habe und in der Praxis zunehmend anwende", sagt Knechtel.
Seine Tätigkeit ist nicht starr, die Aufgaben lassen sich verändern und um neue Kenntnisse anpassen. Dass sich neues Wissen gleich in der Praxis anwenden lässt, ist ein Vorteil eines berufsbegleitenden Studiums.
Von diesen berufsbegleitenden IT-Masterstudiengängen hat die Hochschule Aalen drei im Angebot: Wirtschaftsinformatik, IT-Sicherheitsmanagement sowie eben Data Science und Business Analytics. "Wir haben insgesamt um die 180 Studierende und einen weiterhin steigenden Zulauf", sagt Professor Koot. Die Wirtschaftsinformatik war vor fünf Jahren das erste Studienangebot aus diesem Trio.
Doch die Aalener Hochschule ist nicht die einzige mit einem solchen Angebot, das haben viele. Die Technische Hochschule Ulm bietet gemeinsam mit der Universität Ulm berufsbegleitende Masterstudiengänge unter dem Dach der School of Advanced Professional Studies als Weiterqualifizierung an. Es ist typisch, auch für andere Hochschulen, dass die berufsbegleitenden Studiengänge in eigenen Organisationseinheiten geführt werden.
Reinhold von Schwerin ist stellvertretender Leiter der School und Prodekan der Informatik an der Technischen Hochschule Ulm. "Etwa drei Viertel unserer Absolventen gehen nach ihrem Bachelorabschluss in den Job", sagt von Schwerin.
Der Anteil in der Informatik ist damit höher als im Durchschnitt aller Bachelorabsolventen an Hochschulen für angewandte Wissenschaften, wie Fachhochschulen modern heißen. "Weil Informatiker gesucht sind, bekommen auch Bachelorabsolventen interessante Jobs", sagt von Schwerin. Bei Informatikabsolventen ist die Art des Abschlusses für viele Unternehmen zweitrangig.
Koot und von Schwerin raten beide dazu, dass die Studieninhalte von Bachelor und Master zusammenpassen sollten. IT-Sicherheitsmanagement in Aalen und Intelligent Systems in Ulm sind berufsbegleitende Masterstudiengänge, in denen Informatikwissen vorausgesetzt wird. "Im Master fängt man schließlich nicht bei Adam und Eva an", sagt von Schwerin.
Wenn aber eine Expertise in einem anderen Fachbereich dabei hilft, eine Technologie dafür anzuwenden, kann es durchaus sinnvoll sein, auf ein IT-fremdes Studium noch einen IT-Master draufzusetzen.
Zum Beispiel: Die Digitalisierung von kaufmännischen Geschäftsprozessen, wie es der Betriebswirt Tim Knechtel macht. Leute wie er werden zunehmend gebraucht, da immer häufiger aus analogem Business digitales Business wird.