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Kulturunterschiede in IT-Teams: "Ich verstehe die Frage nicht!"

Kulturunterschiede in IT-Teams: "Ich verstehe die Frage nicht!" - Golem Karrierewelt

(Bild: Pixabay / Montage: Golem.de)

Ein Erfahrungsbericht von Bernard Oakley veröffentlicht am 

Ein Team mit Mitgliedern aus verschiedenen Ländern ist für jede Führungskraft eine Herausforderung - mit Culture Maps und viel reden geht es aber.

Als Leiter eines internationalen IT-Teams, in dem jedes Mitglied aus einem anderen Land stammte, habe ich folgenden Dialog miterlebt. Es stand eine Entscheidung zur Systemarchitektur an:

Jonas: "Wir sollten es machen wie das andere Team dort. Das hat funktioniert, sollte bei uns auch funktionieren."

Anna: "Aber wir müssen zuerst verstehen, warum es funktioniert. Vielleicht können wir deren Prinzipien verstehen und davon unsere ableiten?"

Jonas: "Ich verstehe die Frage nicht! Es hat drüben funktioniert, sollte bei uns auch so sein. Wir bauen ja was Praktisches, nichts Theoretisches."

Anna: (sprachlos)

Das Meeting endete ohne Ergebnis.

Nicht, weil Jonas und Anna keine Ideen gehabt hätten, sondern weil ihre Ansätze zur Problemlösung so komplett unterschiedlich waren. Jonas und Anna stammen aus unterschiedlichen Ländern, sprechen unterschiedliche Sprachen, vor allem aber haben sie sehr unterschiedliche Arten gelernt, überzeugende Argumente zu liefern. Jonas, aufgewachsen in den USA, ist es gewohnt, mit Fallbeispielen zu argumentieren. Anna hingegen hat ihr Leben in Deutschland verbracht, wo eine Argumentation basierend auf Prinzipien üblicher ist.

Die Unterschiede sind sogar in den Rechtssystemen sichtbar. Während Gewohnheitsrecht in Deutschland eine weniger starke Rolle spielt, sind Präzedenzfälle und Einzelfallentscheidungen ein Grundpfeiler im US-amerikanischen System.

Solche kulturellen Unterschiede können auf vielen Ebenen zu Missverständnissen oder Misskommunikation führen und internationale Teams in ihrer Arbeit blockieren. In meinem Job als Engineering Manager in solchen internationalen Teams habe ich seit 2005 viele Beispiele dafür erlebt. Dabei habe aber auch gelernt: Wenn man solche Teams richtig führt, können sich die verschiedenen Kulturen gegenseitig bereichern - man muss nur wissen, wie.

"Du musst entscheiden, du bist der Manager!"

Heutzutage sind immer mehr Teams international aufgestellt, dafür muss der Konzern nicht einmal international sein. Oft gibt das schon die Historie der Teammitglieder her, denn Deutschland ist eines der attraktivsten Länder weltweit, um für den Job hierher zu ziehen. Gerade die mobilen digitalen Jobs, wo das Wissen nicht regional verankert ist, erhöhen die Wahrscheinlichkeit eines internationalen Teams.

Die kulturellen Unterschiede zeigen sich vor allem in den verschiedenen Herangehensweisen an die Arbeit. An einem Tag hatte ich beispielsweise zwei Gespräche mit Mitgliedern meines Teams, die unterschiedlicher nicht sein konnten:

Thomas: "Ich arbeite gerade am Datenbankschema für das neue Feature. Ich bin gerade dabei zu erarbeiten, ob ich Option 1 oder Option 2 machen soll."

Ich: "Was würde dir helfen, die Entscheidung zu treffen?"

Thomas: "Die Entscheidung musst du treffen, du bist der Manager. Du hast mehr Kontext. Entscheidungen müssen vom Manager kommen, ich kann die Daten aufbereiten und dann die Entscheidung umsetzen."

Das zweite Gespräch mit einer anderen Kollegin fand direkt danach statt.

Sabine: "Ich evaluiere gerade die verschiedenen Libraries für Caching. Ich überlege, ob ich Option 1 oder Option 2 machen soll."

Ich: "Ah das klingt interessant. Lass mich sehen (liest). Ich denke, wir sollten Option 2 machen."

Sabine: "Danke, aber ich habe nicht nach deiner Meinung gefragt. Wir diskutieren das im Teammeeting morgen, aber letztendlich kann ich gut selbst agieren und entscheiden. Von dir brauche ich Referenzen, wessen Meinung und Wissen ich noch inkorporieren sollte, das ist alles."

Die Szenarien waren also quasi identisch, die Erwartungshaltung aber grundlegend unterschiedlich.

Thomas ist in Italien aufgewachsen, während Sabine die vergangenen zehn Jahre in Schweden verbracht hat - zwei Extreme in Bezug auf Hierarchien. Italien ist, wie zum Beispiel auch Indien, Russland oder Marokko, hierarchieorientiert. Entscheidungen werden von der Führungskraft erwartet und entsprechend umgesetzt. Schweden hingegen ist mehr in der Gruppe der Konsensländer anzusiedeln. Die Erwartungshaltung ist mehr von Autonomie, flachen Hierarchien und Entscheidungen per Konsens und Diskussion geprägt.

Ich habe mich in der Folge bemüht, mehr über Unterschiede zu erfahren, die in Kultur verankert sind. Die sogenannte Culture Map gibt hierbei ein gutes Vokabular für Unterschiede wie:

 

  • Ist der Kommunikationsstil eher direkt oder sind die wichtigen Details zwischen den Zeilen versteckt?
  • Soll Feedback lieber direkt oder indirekt gegeben werden?
  • Wem vertraut man? Der Kollegin mit dem Fachwissen oder dem Kollegen, den man am besten kennt?
  • Sollte das Projekt nach einem strikten Zeitplan realisiert werden - oder eher flexibel?

 

Natürlich agiert nicht jede Person aus Deutschland oder aus China gleich. Jedoch half mir das Wissen über kulturelle Unterschiede und Stereotypen zu artikulieren, was die Herausforderungen sind, um Missverständnisse im Team besser verhindern zu können.

Als Teamleiter musste ich mir dafür Strategien erarbeiten. Mit der Grundphilosophie "Kein Problem ist weltweit einzigartig" habe ich die relevanten Materialien entdeckt:

 

  • zu den kulturell basierten Unterschieden die Culture Map von Erin Meyer,
  • Strategien zum Aufbau von Vertrauen von Stephen Covey,
  • zum Verständnis des aktuellen Vertrauensstatus des Teams die Tuckman-Phasen.

Dabei muss man sagen, dass zwar jedes Team durch Entwicklungsphasen mit Vertrauensbildung geht - bei internationalen Teams ist das jedoch noch herausfordernder. Viele Konflikte und Missverständnisse basieren auf kulturellen Unterschieden und Präferenzen, und Missverständnisse verhindern Vertrauen. Es gibt aber Tools, um Vertrauen im Team aufzubauen, zum Beispiel:

 

  • individuelle Gespräche, um die Einzelverantwortung hervorzuheben. Denn jedes Teammitglied kann zu einer besseren Verständigung beitragen, und zwar mit Feedback, Transparenz und der Einladung zu Meta-Diskussion ("Hey, unsere E-Mail-Kommunikation lief zuletzt etwas seltsam, wir sollten plaudern"),
  • Gruppenübungen, damit jedes Teammitglied das Diversitätsspektrum des Teams verstehen kann,
  • regelmäßige Abfrage der Stimmung im Team, zum Beispiel mit anonymen Fragebögen mit Items wie "Ich fühle mich verstanden" oder "Ich kann ich selbst sein",
  • das Einnehmen der Beobachterrolle in Teammeetings. Interaktionen zwischen Teilnehmern, Fairness in Sprechzeit und andere Metriken geben Einsicht in die aktuelle Vertrauensbasis und ermöglichen gezieltes individuelles Feedback.

Ähnliche Herausforderungen und Aktionen sind übrigens auch auf homogene Teams anwendbar. In internationalen Teams sind die Unterschiede jedoch größer und die Problemstellungen sind leichter erkennbar. Wer sie nutzt, kann gerade diverse Teams zu besonderem Erfolg führen, wie Studien belegen (PDF).

Aber wie ging nun eigentlich die Geschichte mit Jonas und Anna weiter?

Ein paar Tage später saßen wir für eine Grundsatzdiskussion im Team beisammen. Das Ziel war, Verständnis für die Unterschiede zu schaffen. Zur Vorbereitung hatte ich alle gebeten, sich den Inhalt der Culture Map zu erarbeiten (entweder als Buch oder in kurzen Videos), und kulturelle Karten von allen Mitarbeitern ausgedruckt.

In der Diskussion selbst malten wir jede Culture-Map-Dimension (zum Beispiel direkte/indirekte Kommunikation) auf ein Whiteboard, inklusive der Standardwerte unserer eigenen Kulturen. Bei der anschließenden Diskussion legte jede Person für sich selbst fest, wo er oder sie auf dem Spektrum liegt. Dabei lag nicht jede Person im Durchschnitt der eigenen Kultur, aber insgesamt waren wir als Team breit über jedes Spektrum verteilt. Mit dieser Übung hatte das Team ein Selbstverständnis und ein Vokabular gewonnen, um die Präferenzen festzulegen und in technische Diskussionen einzubringen.

Eine Woche später besprachen wir die gleiche Architekturentscheidung noch einmal. Die ersten zehn Minuten wurde diskutiert, wie die Entscheidung getroffen werden soll. Dabei erarbeitete das Team einen Konsens, was man braucht, um einer Lösung eines anderen Teams vertrauen zu können.

Damit hatte Jonas genau, was er benötigte: Er argumentierte nicht nur mit Fallbeispielen, sondern auch mit dem Hintergrund, warum es bei dem anderen Team funktioniert hat.

Anna wiederum war zufrieden, dass sie das Hintergrundwissen bekam und aus den Prinzipien Verbesserungsvorschläge ableiten konnte. Das Ergebnis im Team war wesentlich besser, als es von Jonas oder Anna alleine gewesen wäre.

Der Autor hat diesen Text unter Pseudonym geschrieben, um seine Erfahrungen möglichst konkret machen zu können, der Name ist der Redaktion bekannt. Zu seinem Hintergrund sei gesagt: Er arbeitet bei einem großen IT-Konzern und hat dort internationale Teams in Infrastruktur- und Forschungsprojekten geleitet.

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