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Diversität in IT-Teams: Warum Avrios viele Frauen beschäftigt
(Bild: Henrique Ferreira)
Ein Interview von Peter Ilg veröffentlicht am
Üblicherweise ist der Frauenanteil in IT-Firmen klein, bei Avrios nicht. CEO Francine Gervazio erklärt, was mehr Frauen in der IT bringen.
Avrios ist ein junges Unternehmen mit einem hohen Frauenanteil. Der Anbieter für digitales Flottenmanagement wurde 2015 in Zürich gegründet, betreibt inzwischen weitere Standorte in Breslau und Berlin und hat insgesamt rund 50 Mitarbeitende.
Davon ist jede zweite eine Frau, auch im Management. Mit Francine Gervazio hat Avrios zudem eine weibliche CEO. Der Anteil weiblicher Beschäftigter ist im gesamten Unternehmen und auf allen Ebenen viel höher als im Durchschnitt in deutschen IT-Firmen. Laut Eco - Verband der Internetwirtschaft beträgt der gerade einmal 16 Prozent.
Gervazio stammt aus einem kleinen Ort in Brasilien und hat in Sao Paulo Business Administration studiert. Danach erhielt sie ein Stipendium für ein MBA in den USA. Anschließend arbeitete sie für Unternehmen wie Rocket Internet in verschiedenen Märkten. Zuletzt war Gervazio Mitbegründerin von Cargo 42, dem Betreiber eines B2B-Trucking-Markplatzes.
Seit vier Jahren ist sie im Führungsteam von Avrios und seit Mai dieses Jahres CEO. Das Weltwirtschaftsforum hat das Unternehmen mit seiner auf künstlicher Intelligenz basierende Cloud-Flottenmanagement-Plattform als einen von 100 vielversprechenden Technologiepionieren 2021 ausgezeichnet.
Avrios hat nicht nur einen hohen Frauenanteil, das Unternehmen ist zudem multikulturell: Die Beschäftigten stammen aus vielen Ländern. "Ich bin stolz darauf, ein Unternehmen mit aufzubauen, das allen die gleichen Chancen für ihre berufliche Entwicklung bietet, unabhängig von ihrem Geschlecht, ihrer Nationalität oder ihrem Hintergrund", sagt Gervazio. Wir haben mit ihr darüber gesprochen, was mehr Frauen in der IT bewirken können.
Golem.de: Frau Gervazio, wie kam es zu der hohen Frauenquote bei Avrios: Ist sie Zufall oder Ergebnis einer Strategie?
Gervazio: Wir haben eine Unternehmenskultur aufgebaut, in der sich Diversität organisch ergibt. Dahinter steckt also keine Diversity-Strategie. Wir sind aufgrund unserer Unternehmenskultur offen für alle Menschen. Dies hat dazu geführt, dass wir eine weibliche Belegschaft von 46 Prozent und Mitarbeitende aus 21 Ländern haben. Wir fördern gleichberechtigtes Wachstum und statten alle Beschäftigten mit Fähigkeiten, Wissen und Werkzeugen aus, die sie brauchen, um sich bestmöglich weiterzuentwickeln.
Golem.de: Seit Jahren wird in Deutschland versucht, mehr Frauen für ein Informatikstudium zu begeistern. Der prozentuale Zuwachs ist gering. Woran liegt das wohl?
Gervazio: Der Ansatz muss schon viel früher erfolgen. Häufig mangelt es schon am Informatikunterricht an den Schulen und der aktiven Bewerbung von IT-Studiengängen für Frauen. Beides hat zur Folge, dass diese Studiengänge von Frauen als nicht attraktiv oder gleich gar nicht als für sie zugänglich erscheinen, weil nur wenige Frauen in der IT arbeiten ...
Golem.de: ... und es deshalb kaum weibliche Vorbilder für junge Frauen in der IT gibt?
Gervazio: Das ist ein wichtiger Punkt: Gäbe es mehr Frauen in der IT, dann könnten sie der Beweis dafür sein, dass diese Branche durchaus ein Weg für junge Frauen ist, den sie einschlagen und auf dem sie Karriere machen können. Nur weil diese Branche immer noch männerdominiert ist, heißt das nicht, dass Frauen darin nicht genauso erfolgreich sind.
Golem.de: Wie verändert es IT-Unternehmen, wenn der Frauenanteil steigt?
Gervazio: Ein höherer Frauenanteil sowie diverse Teams bringen neue und differenzierte Ideen, Wahrnehmungen und Visionen in Bezug auf Produkte und Dienstleistungen. Genauso wie unsere Kunden sehr vielfältig sind, sollten es auch die Teams sein, die an den Produkten arbeiten. Wenn Frauen nicht in Schlüsselpositionen innerhalb eines Unternehmens, etwa in die Produktentwicklung, einbezogen werden, entgeht den Firmen wertvolles Wissen, das Produkte besser und zugänglicher für einen größeren Zielmarkt machen kann.
Golem.de: In der Schweiz wie in Deutschland gibt es einen Mangel an IT-Fachkräften. Weil es wenige Frauen gibt, die in IT ausgebildet sind, dürfte es wohl schwerer sein, offene Stellen mit Frauen zu besetzen.
Gervazio: Wir bekommen regelmäßig einen hohen Anteil an Bewerbungen von Frauen. Hier glaube ich, dass es auch etwas mit der Firmenkultur und Employer Branding zu tun hat und damit, wie Bewerber ein Unternehmen wahrnehmen und wie Gleichberechtigung in diesem Unternehmen gelebt wird. Wir erhalten Bewerbungen von hochqualifizierten Kandidatinnen und Kandidaten aus vielen Ländern, die im Interviewprozess überzeugen und uns zeigen, was sie in das Unternehmen einbringen können, unabhängig von ihrem Geschlecht, ihrem Alter oder ob sie Familie haben oder nicht.
Golem.de: Wenn Avrios Mitarbeiter sucht, wirbt das Unternehmen dann damit, dass die Frauenquote hoch ist und bekommt Avrios deshalb mehr Bewerbungen von Frauen als Firmen mit geringerem Frauenanteil?
Gervazio: Wir suchen nach Mitarbeitern, die etwas bewirken können und wollen. Das gilt für Frauen und Männer gleichermaßen. Aber ich meine, dass das Image eines Unternehmens - insbesondere dann, wenn bekannt ist, dass es Gleichberechtigung lebt - es für Frauen attraktiver macht, sich grundsätzlich und auch für höhere Positionen zu bewerben. Wir haben schon immer einen guten Anteil an weiblichen Bewerbern bekommen, und das bereits, bevor wir im Bewerbungsgespräch über unseren Frauenanteil im Unternehmen sprechen.
Golem.de: In Deutschland gibt es eine und in der Schweiz wird über eine Frauenquote in börsennotierten Unternehmen diskutiert. Was bringt eine Quote im Management, wenn es an der breiten Basis an Frauen mangelt?
Gervazio: Grundsätzlich meine ich, dass die Quote ein wichtiger Schritt sein kann, um Vielfalt in Unternehmen zu erreichen, vor allem in jenen, in denen Gleichberechtigung weder gelebt noch gefördert wird. Wir bei Avrios haben keine Quotenregelung. Was den Mangel an Frauen in IT-Managementpositionen betrifft, kann aber eine Quote hilfreich sein, auch an der eigenen Unternehmenskultur zu arbeiten. Es geht darum, Möglichkeiten zu schaffen, dass auch Frauen in höhere Positionen kommen können und dort auch bleiben wollen. Ich bin überzeugt: Wenn mehr Frauen in Führungspositionen sind, öffnen sich für andere Frauen leichter die Türen, um aufzusteigen.
Golem.de: Weil sich die Frauen dann gegenseitig unterstützen?
Gervazio: Es geht mehr um die Signalwirkung und darum, Frauen und insbesondere jungen Mädchen zu zeigen, dass sie im IT-Bereich Karrierewege einschlagen und Führungspositionen erreichen können. Diese Repräsentation funktioniert selbstverständlich nicht von heute auf morgen.
Golem.de: Ist es notwendig, dass zunächst die Belegschaft aus einem hohen Frauenanteil besteht, damit auch im Management die Frauenquote steigt? So wie bei Avrios?
Gervazio: Das hängt vom Unternehmen ab und davon, ob und wie Chancen für Mitarbeitende geschaffen werden, die aus dem Team heraus in eine Führungsposition aufsteigen. Für uns ist es wichtig, gleiche Chancen für alle zu schaffen. Wir leben eine pragmatische Mentalität und geben unserem Team die Mittel, die nötig sind, um die Ziele zu erreichen. Das gilt auch für den Karriereweg innerhalb des Unternehmens. Bei uns hat sich deshalb der Frauenanteil im Team parallel mit dem Frauenanteil im Management entwickelt.
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