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„Auch ITler haben Gefühle“: Wie versteht mein IT-Team mich richtig?
Der ITler: präzise, analytisch, eigenbrötlerisch — so wird das Bild des IT-Profis in der Öffentlichkeit oft dargestellt. Doch wie viel Wahrheit steckt in diesem Bild und wie gelingt die Kommunikation? Im Interview erklärt Kommunikationstrainer Peter Rach, welche Sprache ITler sprechen.
Golem Karrierewelt: Wie viel Klischee steckt in der Annahme, dass ITler eher wortkarg sind - und was bedeutet das für die Arbeit in ihren Teams?
Peter Rach: Wortkarg stimmt keinesfalls. Manchmal ist sogar das Gegenteil der Fall: Manche sind extrem detailorientiert und reden dann auch sehr viel. Vielleicht ist eher introvertiert gemeint, aber auch das kann ich so nicht bestätigen, denn viele ITler sind durchaus sehr kommunikativ und gesellig. Ich sehe einen etwas anderen Trend. Ich lasse in Kommunikationstrainings gerne die Teilnehmer sich zwischen zwei Polen von Persönlichkeitseigenschaften aufstellen: auf der einen Seite der menschen- und beziehungsorientierte Typ, auf der anderen Seite der sach- und zielorientierte Typ.
In einem durchschnittlichen Team treffen sich viele in der Mitte, manche stehen weiter außen, nur sehr wenige ganz außen an den Polen. Es ergibt sich die klassische Gaußsche Normalverteilung oder auch Glockenkurve. In IT-Teams sieht das deutlich anders aus. Schon die IT-Mitarbeitenden selbst sortieren sich bei dieser Frage mehrheitlich bei sach- und zielorientiert ein.
ITler kommunizieren also lieber auf der reinen Sachebene?
Die Mehrheit von ihnen ja. Und es könnte durchaus ein Zusammenhang vermutet werden, warum sie sich einen Beruf ausgesucht haben, in dem sie überwiegend mit Maschinen kommunizieren. Viele von ihnen stehen den Gesprächen, die Menschen üblicherweise brauchen, um Beziehungen zu pflegen und zu erhalten, eher abgeneigt gegenüber. Sie empfinden so etwas als unnötige Zeitverschwendung.
Durch E-Mails mit beziehungsorientierten Floskeln und Gespräche über Emotionen fühlen sie sich schnell belästigt oder überfordert. Aber Achtung: Hier geht es um eine Mehrheit, ausdrücklich nicht um alle. Es gibt auch Kollegen, die durchaus beziehungsorientiert sind und gerne mit Menschen zu tun haben, insbesondere im IT-Support oder in der Beratung. Und hier ist auch der Umgang mit Menschen an der Tagesordnung. Also, bitte niemals alle Mitarbeitenden eines Teams über einen Kamm scheren!
Welche Erkenntnisse kann man noch daraus ziehen?
Nur weil die meisten ITler die Sachorientierung vorziehen und beziehungsorientierte Gespräche meiden, heißt das nicht, dass diese Kollegen keine Gefühle hätten und gar keine Beziehungspflege bräuchten. Ganz im Gegenteil: Auch diese Kollegen haben Emotionen, sie können nur noch weniger damit umgehen als der Durchschnittsmensch. Sie sind teilweise auf der menschlichen, emotionalen Ebene viel empfindlicher und kommunikativ viel explosiver, also im Umgang schwieriger. Denn sie halten die Beziehung zum Kollegen einer Nachbarabteilung für die tägliche Zusammenarbeit gar nicht für wichtig. Also muss man auch im Gespräch keine Rücksicht auf deren Gefühle nehmen.
Das heißt aber, gerade IT-Mitarbeiter brauchen noch viel stärker als andere einen verständnisvollen, empathischen Chef. Die Anweisung: Sei verständnisvoll, aber rede nicht so viel über Gefühle! Sei empathisch, aber benutze eine sachliche Sprache! Vermittle zwischen der Zielorientierung und Kundenorientierung! Und manchmal sollte man auch die Kollegen wie Kunden behandeln. Das fällt vielen IT-Experten schwer.
Wie helfen Sie IT-Teams dabei, ihre Kommunikation zu verbessern?
Natürlich sagt ein Kommunikationstrainer auf diese Frage: mit Kommunikationstrainings. Aber genauso wichtig ist der Alltag, und den hat der Chef unter Kontrolle. Ich beginne in Trainings damit, die persönlichen Erfahrungen der ITler abzurufen. Jeder von denen hat selbst schon unzählige Stunden in Hotlines verbracht, nur um dann zu spüren, wie es einen auf die Palme bringt, wenn man schlecht behandelt wird. Wie gesagt, auch ITler haben Gefühle. Über diese Erfahrungen und über Experimente im Präsenztraining erkläre ich den IT-Experten das „Betriebssystem“ des Menschen.
Zum Beispiel mit dem klassischen Eisbergmodell: 1/7 Sachebene, 6/7 Beziehungsebene und Emotionen. Über die oben geschilderte Aufstellung lernen die IT-Mitarbeitenden: „Ich bin eher am Rand der Normalverteilung, andere Menschen sind anders als ich. Also sollte ich nicht von meinen Vorlieben als Modell für alle Menschen ausgehen“. Auf der Sachebene lässt sich vieles transportieren. Die Erfahrung auf der emotionalen Ebene steuern die Teilnehmer eines Trainings selber bei. Sind diese Erkenntnisse erstmal angekommen, sind der Teamleiter oder das Team gefragt. Man muss täglich über diese Modelle reden, Mitarbeitende müssen sich gegenseitig beobachten und Feedback geben, damit aus der Abneigung, auf der Beziehungsebene zu kommunizieren, eine Kompetenz wird.
Wenn ich ein IT-Team führe, worauf kann ich dann achten, um möglichst gut verstanden zu werden?
Jede Führungskraft sollte exzellent mit Menschen umgehen können, das ist Führungswerkzeug Nummer 1. Auch, wenn IT-Mitarbeiter die Kommunikation auf der Sachebene bevorzugen und das „Beziehungsgedöns“ ablehnen, sind sie doch Menschen – mit starken Emotionen und dem entsprechenden Betriebssystem. Hier ist aber oft auch ein riesiges, immanentes Problem. Häufig stammt der IT-Teamleiter selber aus der IT. Also schlimmstenfalls ist er sehr sach- und zielorientiert und im Umgang mit Emotionen selbst nicht gut. Diese Sorte Führungskraft kann schnell aus Unverständnis für zwischenmenschliche Reibereien aus der Haut fahren. Ein No-Go für Führungskräfte.
Was braucht also eine gute Führungskraft in der IT?
Auf der einen Seite viel Verständnis für die vorhandenen Emotionen, zum Beispiel die Wut über „dumme“ User. Außerdem viel Diplomatie, um zwischen emotionalen Sichtweisen und Zielorientierung vermitteln zu können. In der Sprache sollte sich der Teamleiter eher sachlich ausdrücken, und wenn es um den Umgang miteinander im Team geht, emotionale Reibungspunkte auf einer Sachebene erklären können. Um den IT-Kollegen einen Zugang zur Welt der Emotionen zu schaffen, hilft es, die Mitarbeitenden nach entsprechenden eigenen Erfahrungen zu fragen. Ansonsten gilt eine alte Coaching-Technik, die sich sogar reimt: „Alles, was du kannst erfragen, solltest du nicht selber sagen.“ Die funktioniert auch bei ITlern, denn die kennen ihre emotionalen Zustände und können auch mal darüber reden. Würden sie nur von sich aus nicht tun.
Peter Rach ist ein erfahrener Trainer, Moderator und Redner mit 30 Jahren Bühnenerfahrung, der sich spezialisiert hat auf Kommunikationstrainings, Teamentwicklung, Coaching und Mediation. Mit seinem Unternehmen Peter Rach Team & Kommunikation spricht er schwerpunktmäßig die IT-Branche an.
Bild: Golem.de / Midjourney