Ungewöhnliche Rekrutierungsmethoden: Spät-Abend-SMS und Kaffeetassen-Test
Private Nachrichten zu später Stunde und zurückgebrachte Kaffeetassen als Einstellungskriterien: Personalverantwortliche greifen zu immer ungewöhnlicheren Methoden, um potenzielle Mitarbeiter zu testen.
Während viele Arbeitnehmer zunehmend Work-Life-Balance, mentale Gesundheit und das Recht auf Abschalten einfordern, greifen manche Unternehmen zu fragwürdigen Rekrutierungsmethoden, die die Grenzen zwischen Beruf und Privatleben verwischen. Diese kontroversen Praktiken, oft als Auswuchs der viel kritisierten "Hustle Culture" gesehen, stehen im krassen Gegensatz zu Bewegungen wie "Quiet Quitting" oder der Vier-Tage-Woche.
Eine besonders unkonventionelle Taktik kommt von William Vanderbloemen, dem Gründer und CEO einer Personalvermittlungsfirma in Houston. Wie Business Insider berichtet, nutzt Vanderbloemen eine abendliche SMS, um die Reaktionsbereitschaft und Passgenauigkeit potenzieller Mitarbeiter zu prüfen.
Der Test läuft folgendermaßen ab: Nach einem Vorstellungsgespräch erhält der Kandidat gegen 22 Uhr eine freundliche SMS von einem angeblichen Mitarbeiter der Firma. Die Nachricht erwähnt das verpasste Treffen und drückt den Wunsch aus, sich zu einem späteren Zeitpunkt zu verbinden.
Die entscheidende Frage ist nun: Wie schnell antwortet der Bewerber? Laut Vanderbloemen bringt eine Antwort innerhalb von 24 Stunden die meisten Bewerber in eine bessere Position als ihre Konkurrenten, da Menschen im Allgemeinen “schrecklich” sind, wenn es um das Antworten geht. Wer jedoch innerhalb einer Minute antwortet, zeigt genau die Art von "Verrücktheit", die das Unternehmen für bestimmte Positionen sucht.
Diese Methode ist jedoch nicht für alle Stellen vorgesehen. Sie soll vor allem für Stellen eingesetzt werden, die eine hohe Reaktionsgeschwindigkeit erfordern, wie beispielsweise Verkauf oder Marketing. Vanderbloemen betont, dass die Nichtbeantwortung von SMS kein automatisches Ausschlusskriterium ist.
Trotzdem wirft die ungewöhnliche Praxis Fragen zur Work-Life-Balance und zur "Always-on"-Kultur in der modernen Arbeitswelt auf. Kritiker könnten argumentieren, dass solche Tests die Grenzen zwischen Arbeits- und Privatleben weiter verwischen.
Vanderbloemen verteidigt seine Methode damit, dass sie hilft, Kandidaten zu finden, die zur Unternehmenskultur passen. Er vergleicht den Prozess mit einer erfolgreichen Organtransplantation, bei der das Gewebe perfekt übereinstimmen muss.
Neben der SMS-Methode setzt Vanderbloemen auch auf andere unkonventionelle Tests, wie etwa kurzfristige Änderungen des Intervieworts, um die Flexibilität der Kandidaten zu prüfen.
Willkürliche Annahmen im Bewerbungsprozess
Eine weitere kontroverse Testmethode, die in der Recruiting-Welt Aufsehen erregt hat, ist der sogenannte "Kaffeetassen-Test". Wie Trent Innes, ehemaliger Geschäftsführer der Buchhaltungssoftware-Firma Xero Australia, in einem Podcast erklärt, bietet er den Bewerbern zu Beginn des Vorstellungsgesprächs einen Kaffee oder ein anderes Getränk an. Am Ende des Gesprächs beobachtet er, ob der Bewerber von sich aus anbietet, die leere Tasse in die Küche zurückzubringen.
Innes erklärt, dass dieser Test die Einstellung und das Verantwortungsbewusstsein des Bewerbers zeigt. Er sucht nach Menschen, die ein Gefühl der Eigenverantwortung haben - symbolisiert durch das Zurückbringen der eigenen Kaffeetasse. Etwa 90 Prozent der Bewerber bestehen diesen Test, indem sie ihre Tasse zurückbringen oder es zumindest anbieten.
Kommentatoren in den sozialen Medien argumentieren, dass solche Tests willkürlich sind und nicht die tatsächlichen Fähigkeiten oder das Potenzial eines Bewerbers widerspiegeln. Sie weisen darauf hin, dass Nervosität das Verhalten während eines Vorstellungsgesprächs beeinflussen kann und dass solche unausgesprochenen Erwartungen unfair gegenüber den Bewerbern sind.
Diese unkonventionellen Methoden zeigen, wie vielfältig und oft überraschend der Rekrutierungsprozess sein kann. Sie werfen auch wichtige Fragen über die Grenzen zwischen persönlicher und beruflicher Sphäre sowie über die Fairness und Effektivität solcher Testverfahren auf.
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