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Neuorientierung im IT-Job: Endlich mal machen!
(Bild: Pixabay)
Ein Ratgebertext von Marvin Engel veröffentlicht am
Manchen fehlt der Mut für berufliche Veränderungen. Sie tun weh - aber können sich lohnen. Sieben Erkenntnisse von einem, der es gewagt hat.
Es gibt im Jahr 2021 wenige Gründe, unglücklich in einem IT-Job zu arbeiten. Nie zuvor hatten wir mehr Möglichkeiten, das zu tun, was wir möchten, und damit gutes Geld zu verdienen. Es gibt schier endlose Wege, sich selbst zu verwirklichen. Die Nachfrage nach IT-Fachkräften steigt in vielen Bereichen seit Jahren (PDF) und in der globalisierten und vernetzten Welt kann immer und von überall aus gearbeitet werden. Doch oft scheitert der Wechsel in ein glücklicheres Berufsleben am mangelnden Mut zur Veränderung.
Kein Wunder, denn berufliche Zufriedenheit bekommen wir nicht sofort, nicht ohne Zweifel und schon gar nicht ohne Hindernisse. Veränderungen können riskant sein. Und sie können wehtun, bevor sie sich lohnen. Das habe auch ich erfahren, als ich vor einigen Jahren eine Jobveränderung gewagt und mich als IT-Projektmanager selbständig gemacht habe. Mittlerweile kann ich behaupten: Es hat sich gelohnt. Menschlich und finanziell. Und ich habe einiges gelernt, das vielleicht auch anderen bei Jobveränderungen helfen kann.
1. Die Jobveränderung muss die Mühe wert sein
Zunächst ist die Frage zentral, ob die berufliche Veränderung die Mühe wirklich wert ist. Jeder, der sich mit Gedanken an einen Jobwechsel oder die Freiberuflichkeit trägt, sollte erst einmal in sich gehen: Bin ich wirklich grundlegend unzufrieden im Job? Oder kann ich meine Situation im jetzigen Job verbessern? Gehe ich abends zufrieden ins Bett und stehe ich morgens glücklich auf? Es kann ja auch sein, dass man eigentlich zufrieden ist, sich aber von anderen einreden lässt, dass eine Veränderung gut oder nötig wäre. Oder dass die Unzufriedenheit gar nicht durch die Arbeit kommt.
Unser Körper ist da ein guter Signalgeber. Etwa wenn wir mit Symptomen wie Magenschmerzen, Unwohlsein oder ständiger Müdigkeit und Kopfschmerzen zur Arbeit gehen. Jeder, der längere Zeit unglücklich ist, wird in irgendeiner Form körperlich reagieren. Ich war in meinem Job ständig müde und hatte eine innere Langeweile in mir. Ich konnte mich für keine der mir zugeteilten Aufgaben wirklich begeistern. Das war für mich ein klares Signal meines Körpers, dass ich mich verändern musste.
Es gibt aber auch andere Möglichkeiten zu klären, ob und wie unzufrieden man ist. Die Studie Bevölkerungsbefragung Jobzufriedenheit 2019 (PDF) der Manpower Group Deutschland kann dabei einige Hilfestellungen geben. Die in der Studie gestellten Fragen kann man sich gut auch selbst stellen und die Antworten bewerten. Ist das Ergebnis konstante Unzufriedenheit, ist es womöglich an der Zeit, etwas zu ändern.
2. Die Veränderung muss nicht der große Befreiungsschlag sein
Anschließend sollte man sich die Frage stellen, wie groß die Veränderung sein soll. Müssen es wirklich die ganz hohen Ziele sein oder reicht es, kleine Veränderungen herbeizuführen, um zufriedener zu sein?
Mitunter kann ein klärendes Gespräch mit dem oder der Vorgesetzten bereits eine große Wirkung haben. Vielleicht ist eine inhaltliche Veränderung beim gleichen Arbeitgeber sinnvoll oder ein Wechsel in eine andere Abteilung gibt neue Impulse.
Es muss nicht immer gleich die Kündigung und die große Selbstverwirklichung sein. Es empfiehlt sich, mit kleinen Schritten anzufangen. Stellen sich dadurch schon wesentliche Veränderungen unserer Stimmung ein, sind wir plötzlich zufriedener, dann reicht diese kleine Veränderung womöglich schon aus.
Bei andauernder Unzufriedenheit muss es vielleicht doch ein größerer Schritt sein. Für mich haben mehrere angepasste Arbeitsinhalte damals nicht geholfen, meine Unzufriedenheit zu beseitigen. Ich habe gemerkt, dass ich in diesem Unternehmen nicht glücklich werden kann.
Wie auch immer die Veränderung aussieht - sie hängt auch mit der Risikobereitschaft zusammen. Ein Risiko könnte sein, für einen gewissen Zeitraum weniger Geld zu verdienen, sich in einen neuen Bereich einarbeiten zu müssen, sich weiterbilden oder umziehen zu müssen und womöglich das gewohnte Umfeld zu verlassen.
Oder, so wie ich, mehrere Jobs gleichzeitig annehmen zu müssen, damit man finanziell über die Runden kommt. Das kann hart sein und zum Beispiel Hobbys oder Beziehungen in den Hintergrund rücken lassen.
3. Ich kann das Risiko einer Veränderung kontrollieren
Eine weitere wichtige Frage lautet also: Bin ich überhaupt bereit, in meiner jetzigen Lebenssituation ein Risiko einzugehen? Und: Wie kann ich dieses Risiko minimieren oder ganz ausschalten - und wo könnte ich Hilfe für meinen eigenen Veränderungsprozess bekommen?
Zur damaligen Zeit hatte ich - anders als jetzt - keine Kinder, keine teure Wohnung und keine laufenden Kredite, die ich abbezahlen musste. Mein Lebensstandard war ganz normal und ich habe für mich erkannt, dass ich diesen Standard für die Zeit der Unsicherheit auch für einige Monate auf ein Minimum reduzieren kann.
In diesem Zuge ist es sinnvoll aufzuschreiben, welche monatlichen Ausgaben man hat und wie man diese bestmöglich reduzieren kann. Zum Beispiel durch einen Wechsel des Handytarifs, Verkauf von unnötigen Gegenständen, einen Umzug in eine kleinere Wohnung, das Aufgeben von teuren Hobbys oder Ähnliches. Wenn man es schafft, die Ausgaben zu reduzieren oder gar nicht so viele Ausgaben zu haben, fällt es wesentlich leichter, den nächsten Schritt zu gehen.
Wie wir durch zahlreiche Studien wissen, ist bei der Suche nach dem Glück nicht unbedingt das Geld entscheidend. Allerdings sollte man auch nicht an der Suche nach dem richtigen Job finanziell zugrunde gehen.
4. Es ist wichtig, sich sehr gut zu kennen
Ist die Entscheidung pro Veränderung gefallen, ist die nächste wichtige Frage: Was möchte ich konkret machen? Dabei muss es nicht sofort die Multi-Millionen-Dollar-Idee sein.
Erst einmal reicht es, sich der eigenen Stärken und Schwächen bewusst zu werden: Was kann ich besonders gut? Wie kann ich das, was ich besonders gut kann, stärker in den Fokus rücken? Würden andere Menschen und Unternehmen womöglich Geld für diese Stärken ausgeben? Welche Themen gefallen mir und welche nicht?
Ein seriöser Persönlichkeitstest kann bei diesen Fragen helfen. Um einen solchen zu finden, sollte man sich auf bewährte Institutionen verlassen, wie zum Beispiel das Geva-Institut.
Meist kosten detaillierte Persönlichkeitstests auch etwas Geld und sind zeitaufwendig. Das ist logisch, denn ein guter Persönlichkeitstest kann nicht nur zehn Minuten dauern und ist auch nicht eben schnell zusammengeklickt.
Die Fragen in einem guten Test sind herausfordernd und verlangen eine gründliche Auseinandersetzung. Die Investition lohnt sich meiner Meinung nach auf jeden Fall. Der Geva-Persönlichkeitstest oder der Reiss-Test sind zwei Beispiele.
Oft entdeckt man damit neue Stärken und Schwächen, die man vorher an sich gar nicht festgestellt hatte. Das Geva-Institut empfiehlt auf Wunsch auch passende Studiengänge und Berufsbilder. Für mich ergaben sich bei diesem Test als Stärken kommunikative Fähigkeiten und Organisationstalent, was mich beides in meiner Idee, wie meine berufliche Neuausrichtung aussehen könnte, bestärkt hat. Ich fand es außerdem interessant zu sehen, wie eine Vergleichsgruppe im selben Alter abgeschnitten hat.
Nach der ausreichenden Analyse kommt der schwierigste Part: Die Veränderung tatsächlich anzugehen. Denn ob man nun für einen Marathon trainiert oder sich beruflich verändern will: Der Anfang tut immer weh und ich kenne nichts, was diese Hürde, endlich anzufangen, aus dem Weg räumen könnte.
5. Es hilft sehr, die eigenen Pläne aufzuschreiben
Eine hilfreiche Methode ist, den eigenen Plan schriftlich festzuhalten. Das klingt nach einer Floskel, ich habe es früher auch für eine gehalten. Allerdings haben aufgeschriebene Pläne die gute Eigenschaft, dass man sie sich immer wieder anschauen kann (und muss!), an sie erinnert wird und sie nicht so leicht zu verändern sind. Im Kopf korrigieren wir unseren Kurs gerne, sobald es kompliziert wird.
Der eigene Plan kann in kurzfristige und langfristige Ziele eingeteilt werden. Dabei sollten die kurzfristigen Ziele klein und erreichbar sein, die langfristigen sollten Mut machende Visionen sein. Kurzfristig könnte man zum Beispiel ein Gespräch mit dem Chef oder der Chefin vereinbaren, um über die eigene Perspektive im Unternehmen zu sprechen. Oder aber um Hilfe bei der Weiterentwicklung bitten, einen Online-Kurs belegen oder sich Feedback von seinen Liebsten holen.
Oder es könnte - wie bei mir - ein kleines, freiberufliches Projekt als Nebentätigkeit zum festen Job sein. Das wäre zugleich ein erster Test, ob man in der Lage ist, ein Projekt selbstständig umzusetzen. Es könnte aber auch ein Gespräch mit einem Coach oder Personalvermittler sein, der eine externe Sicht auf die eigenen Wünsche und Ziele ermöglicht. Je nachdem, welche Ziele man sich gesetzt hat, können die ersten Schritte sehr unterschiedlich sein.
Als die großen formulierten Ziele eignen sich Selbstbilder der eigenen Person in fünf oder zehn Jahren:
- Was möchte ich erreicht haben?
- Wie möchte ich mich fühlen?
- Wie möchte ich sein?
- Wen möchte ich stolz machen?
- Und ja, es ist auch möglich aufzuschreiben, wie viel Geld ich einmal verdienen möchte.
Alles, was die eigene Motivation nährt, kann als langfristiges Ziel dienen. Was konkret motiviert, ist für jeden von uns unterschiedlich. Wichtig ist dabei, dass die langfristigen Ziele keinen zu großen Druck aufbauen. In einem Jahr ist mit regulärer Arbeit noch kaum jemand Millionär geworden.
Zum Festhalten dieser Pläne eignen sich ein Stift und ein Zettel ebenso gut wie ein eigenes Trello-Board. Ich habe meine Pläne und Aufgaben immer gerne in einem Trello-Board festgehalten, denn so hatte ich sie immer an jedem Gerät verfügbar und konnte mir eigene Erinnerungen setzen.
Zu dem Board habe ich vertrauten Personen Zugriff gewährt und regelmäßig über meine Fortschritte gesprochen.
6. Es hilft sehr, über die eigenen Pläne zu sprechen
Man kann das natürlich auch alles mit sich selbst ausmachen, mir hat es aber geholfen, darüber mit anderen zu sprechen. Als ich den Prozess des Nachdenkens gestartet habe, führte ich viele Gespräche: mit der Familie, mit Freunden, mit der Partnerin.
Durch diese Menschen konnte mir mein eigenes Verhalten gut gespiegelt werden. Zum Beispiel bekam ich den Hinweis, dass ich immer nur genervt von meinem Job berichtete und nie mit Freude. Das war mir selbst gar nicht aufgefallen, aber es stimmte.
Die Gespräche waren wichtig und halfen dabei, endlich tätig zu werden. Mir wurde dadurch verdeutlicht, was anderen schon länger klar war: dass mein Job mich unzufrieden machte. Der andere wichtige Punkt war das Hinterfragen meiner monatlichen Ausgaben. Festzustellen, dass ich eine Zeit lang auch mit weniger Geld zurechtkommen konnte, gab mir den Freiraum, etwas Eigenes zu machen.
Als ich dann endlich auch herausfand, was ich als Selbstständiger machen wollte, nämlich Unternehmen bei ihrer agilen Transformation zu unterstützen und Projekte zu leiten, hat mir ein Karrierecoaching den Mut für die weiteren Schritte gegeben. Ich kündigte meinen Job.
Viele Dinge davor halfen bereits dabei, das richtige Mindset zu entwickeln, oft reicht das allein allerdings nicht. Schließlich können wir viele Ratgeber lesen, theoretische Modelle entwickeln oder mit den Liebsten Pläne schmieden. Was könnte nicht alles sein, wenn nicht wäre, was ist. Das alles macht bis zu einem gewissen Grad Spaß, ist aber nicht hilfreich, wenn es um die tatsächliche Umsetzung der Veränderung geht.
Die Menschen, die einem nahestehen, sind gute Gesprächspartner. Sie sind aber auch so sehr am eigenen Wohlergehen interessiert, dass der Rat zu mutigen Schritten manchmal einfach nicht ausgesprochen wird, wie: die Kündigung wirklich zu schreiben und ein eigenes Unternehmen anzumelden. Oder in eine andere Stadt zu ziehen und einen kompletten Neuanfang zu wagen. Oder unzählige Stunden in sich selbst zu investieren.
Denn der Weg der Veränderung kann schmerzvoll sein und von persönlichen Einschränkungen geprägt sein. Das Sozialleben schläft ein, weil man so viel nebenbei arbeitet. Es bleibt wenig Zeit für Freunde oder zum Feiern. Mitunter werden Nächte durchgearbeitet, das kann an die Substanz gehen.
Zu alldem möchte wahrscheinlich kaum ein Freund oder eine Freundin gerne raten. Als mir nahestehende Personen feststellten, dass ich bis spät nachts arbeitete, rieten sie mir eher dazu, wieder einen normalen Arbeitsalltag zu suchen. Sie verstanden nicht, dass ich die Extraarbeit für meine eigene Sache lieber tat als einen Job, bei dem ich nicht mit dem Herzen dabei bin. Dieser Rat wurde mir natürlich nur mit den besten Absichten und aus Sorge gegeben, aber in meinem Fall war es der falsche Rat.
Jemand Außenstehendes kann deswegen oft besser helfen, Pläne zu schärfen und bei den ersten "echten" Schritten zu begleiten. Die Objektivität so einer Person kann viel bewirken. Durch das Durchsprechen möglicher positiver wie negativer Szenarien, die nach meiner Jobkündigung folgen könnten, half mir ein Coach dabei, die Angst vor dem Unbekannten zu verlieren. Ich lernte neue Sichtweisen - auch auf mich selbst - kennen und konnte Selbstvertrauen für meine nächsten Schritte gewinnen.
Coaching ist keine Garantie für Erfolg, aber eine gute Möglichkeit, die eigenen Fähigkeiten und Möglichkeiten zu erforschen, zu reflektieren und wirklich in die Umsetzungsphase vorzustoßen. Gute Coaches haben in dem Bereich, für den sie coachen, Erfahrungen gesammelt. Sie sollten helfen, Stärken und Schwächen zu finden und konkrete Umsetzungsmaßnahmen vorschlagen. Meinen Coach habe ich damals - ganz simpel - bei Google gefunden, weil ich nach "Karriereberatung" und "Berufscoaching" gesucht habe.
Ich arbeite immer noch mehr als zur Zeit meiner Festanstellung und schlage mir auch öfter noch die Nächte um die Ohren. Der Unterschied ist nur, dass ich es heute viel lieber mache als zur damaligen Zeit. Ich bin also glücklicher, auch wenn ich mehr und härter arbeite. Aus einem Risiko ist eine neue Komfortzone entstanden. Ich bin gespannt darauf, ob und wann ich sie wieder zu verlassen gedenke.
Marvin Engel ist selbständiger IT-Projektmanager, Coach, Berater und Trainer. Für Golem.de schreibt er seit 2018 Artikel aus seiner Berufspraxis. Seit Herbst 2020 berät er auch über die Plattform Shifoo von Golem.de IT-Profis in beruflichen Fragen.
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