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Gleichstellungsbericht: Nerd-Klischee hält Frauen vom Informatik-Studium ab
Viele Frauen fürchteten, von ihrer Weiblichkeit zu verlieren, wenn sie sich in die Informatik wagten, meint ein Professor für Geschlechterforschung.
Das Bild vom männlichen Computer-Freak hält Frauen vom Informatik-Studium ab. Das erklärte der Ulmer Gastprofessor für Geschlechterforschung, Yves Jeanrenaud. "Insbesondere klischeehafte Rollenbilder wie die des Nerds werden so gut wie ausschließlich für junge Männer gebraucht. Viele Frauen fürchten sich davor, von ihrer 'Weiblichkeit' einzubüßen, wenn sie sich auf dieses männlich besetzte Terrain vorwagen. Sie entscheiden sich dann nicht selten gegen ein Informatik-Studium, obwohl sie ein gewisses Interesse dafür durchaus mitbringen", erklärte Jeanrenaud in seiner Expertise für den Dritten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung.
Noch immer ist der Frauenanteil unter den MINT-Studierenden in Deutschland mit etwa einem Drittel im internationalen Vergleich recht niedrig. Noch vielsagender ist der Anteil der weiblichen Beschäftigten in MINT-Berufen: Er beträgt gerade einmal ein Sechstel. Und das obwohl im Zuge der Digitalisierung die Berufsaussichten und Karrierechancen insbesondere im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) besser sind denn je.
"Berufsbilder wie Ingenieur oder Informatiker sind noch immer männlich konnotiert" erklärte Jeanrenaud. "Passt die verinnerlichte Geschlechterrolle nicht zum geläufigen Berufsbild oder einer bestimmten Fächerkultur, droht die Abkehr. Dies gilt für Männer in Pflegeberufen genauso wie für Frauen in den Ingenieurwissenschaften oder Informatik", sagte der Soziologe. Einen weiteren Gender-Effekt sieht Jeanrenaud im MINT-Fähigkeitsselbstkonzept, das dazu führt, dass Mädchen ihre Leistungen in Mathematik und Naturwissenschaften ganz anders einschätzen als Jungen, selbst wenn diese gleich ausgeprägt sind.
Außerdem orientierten sich Mädchen beziehungsweise Frauen bei der Berufswahl oft noch an bestimmten sozialen Mustern und wünschen sich berufliche Tätigkeiten, bei denen sie mit anderen Menschen zu tun haben oder das Gefühl haben, etwas Sinnstiftendes zu tun. Vielen MINT-Berufen hafte allerdings noch immer das Image der isolierten Beschäftigung mit Dingen statt mit Menschen an.
IT: Mehr weibliche Vorbilder und positive Rollenmodelle
Der Gender-Forscher betont in diesem Zusammenhang die Rolle von Gatekeepern wie Eltern und Lehrkräften, die einen großen Einfluss darauf haben, welchen Weg die Kinder später einmal beruflich einschlagen werden. Immerhin steigen die Frauenanteile in MINT-Studiengängen und -berufen kontinuierlich an, doch bleiben die Zahlen teils noch immer weit unter den Erwartungen. In den Technikfächern sieht es mit einem Frauenanteil von 26,3 Prozent weiter bescheiden aus. Das Schlusslicht ist hier die Informatik mit einem Anteil an weiblichen Studierenden von 22 Prozent.
"Wir brauchen hier auf jeden Fall mehr weibliche Vorbilder und positive Rollenmodelle", forderte Jeanrenaud. Das müssen keine nerdy Superheldinnen sein, wie die schwedische Hackerin Lisbeth Salander, und auch keine Mathe-Genies. Nach seiner Meinung wird Mathematik im Informatik-Studium mitunter etwas überbetont. "Wir müssen gerade auch die normal begabten Schülerinnen für ein Informatik- oder Technik-Studium begeistern".
Bild: Microsoft