Rückgang am Fachkräftemarkt: Wirtschaftslage dämpft IT-Stellengesuche
Der Hays-Fachkräfte-Index liefert neue Einsichten in den IT-Arbeitsmarkt, auf dem die Stellenanzeigen erstmalig die 100.000-Marke unterschreiten.
Die IT-Branche verzeichnet im dritten Quartal 2023 einen deutlichen Rückgang der Nachfrage nach Fachkräften. Zu diesem Ergebnis kommt der Fachkräfte-Index Q3/2023 des Personaldienstleisters Hays. Erstmals seit mehr als zwei Jahren fällt die Zahl der ausgeschriebenen IT-Stellen unter die Marke von 100.000 - eine Entwicklung, die laut dem Unternehmen einer Zäsur gleichkommt. Hays führt diese Entwicklung auf die anhaltenden Auswirkungen der Pandemie zurück, die zuletzt im zweiten Quartal 2021 zu einer ähnlich niedrigen Nachfrage geführt habe. Gleichzeitig spiegeln die Zahlen eine zunehmende Vorsicht der deutschen Wirtschaft wider, die sich in reduzierten Investitionen und einem verhaltenen Rekrutierungsverhalten äußert.
IT-Security am stärksten betroffen
Die Einbußen sind dabei branchenspezifisch unterschiedlich verteilt. IT-Security-Spezialisten erleben mit 90 Prozentpunkten den größten Rückgang, gefolgt von IT-Administratoren und Datenbankentwicklern mit Rückgängen von 48 bzw. 43 Prozentpunkten. IT-Architekten müssen einen Rückgang von 29 Prozentpunkten hinnehmen. Mobile- und .Net-Entwickler verzeichnen mit 10 und 13 Prozentpunkten die geringsten Verluste. Trotz der Rückgänge bleibt die Nachfrage nach IT-Security-Spezialisten auf einem hohen Niveau, mit einer Steigerung auf 503 Prozent seit dem Referenzwert von 2015. Ein Vergleich mit dem Vorjahresquartal zeigt auch hier Verluste, außer bei SAP-Entwicklern, die einen Anstieg von 44 Prozentpunkten verzeichnen.
Trotz des sichtbaren Einbruchs bleibt die Nachfrage nach IT-Sicherheitsexperten langfristig auf einem hohen Niveau. (Bild: Hays AG)
Fachkräfte-Index fällt: branchenübergreifender Rückgang
Auch andere Branchen sind von der rückläufigen Nachfrage betroffen. Der gesamte Fachkräfte-Index sinkt um 19 Prozentpunkte auf den tiefsten Stand seit Ende 2021 und liegt nun bei 109 Prozent des Ausgangswertes von 2015. Der Negativtrend setzte nach einem anfänglichen Anstieg im ersten Quartal 2023 im zweiten Quartal ein.
Innerhalb der Berufsgruppen verzeichnen die Personalfachleute den stärksten Rückgang. Die Zahl der offenen Stellen in diesem Bereich sank um 36 Prozentpunkte auf 212 Prozent gegenüber dem Wert von 2015. Dies ist der niedrigste Wert seit zwei Jahren. Insbesondere die Nachfrage nach Employer Branding Managern, HR Managern und Recruitern ist stark zurückgegangen, was laut Auswertung auf eine Neuausrichtung der Unternehmen hin zu einer stärkeren Fokussierung auf die Mitarbeiterbindung als auf die Rekrutierung hindeutet.
Im Life-Science-Sektor setzt sich ein kontinuierlicher Abwärtstrend fort, wobei die Nachfrage nach Experten in Bereichen wie Biologie, Chemie und klinischer Forschung zum vierten Mal in Folge zurückgegangen ist. Trotzdem gibt es bemerkenswerte positive Entwicklungen bei spezialisierten Positionen wie Data Scientists, wo ein Anstieg von 113 Prozentpunkten zu verzeichnen ist, was auf eine verstärkte Betonung von datengetriebenen Kompetenzen in diesem Sektor hindeutet.
Die Finanzbranche und der Ingenieurbereich vermelden ebenfalls einen Nachfragerückgang. Besonders die Positionen von Verfahrens- und Prozessingenieuren sowie Chemieingenieuren sind betroffen, was auf eine allgemeine Zurückhaltung bei neuen Investitionen schließen lässt. Trotz eines allgemeinen Rückgangs ist bei Wirtschaftsprüfern eine leichte Erholung festzustellen.
Der Fachkräfte-Index zeigt eine branchenweite Abschwächung, wobei die HR-Branche trotz eines langjährigen Aufwärtstrends den stärksten Nachfragerückgang verzeichnet. (Bild: Hays AG)
Nachfragerückgang bei anhaltend starker Stellennachfrage
Trotz der rückläufigen Nachfrage nach Fachkräften bleibt die Zahl der Stellenangebote laut Hays über alle Berufsgruppen hinweg auf einem hohen Niveau. Laut René Gruner von Hays ist der Nachfragerückgang bei Ingenieuren vor allem auf die Investitionszurückhaltung zurückzuführen, die durch die schwächelnde Automobilproduktion noch verstärkt wird. Hays-CEO Alexander Heise zufolge zeigen sich Kandidaten wechselbereit, sind aber aufgrund der unsicheren Lage zurückhaltend beim Arbeitgeberwechsel. Dabei seien die Erschließung neuer Bewerberpotenziale und interner Weiterbildungsinitiativen wichtig, um dem Fachkräftemangel zu begegnen.
Die Methodik des Hays-Fachkräfte-Index basiert auf der Auswertung von Stellenanzeigen der größten Online-Jobbörsen, Tageszeitungen und Xing. Diese Daten werden gegen den Ausgangswert vom ersten Quartal 2015 abgewogen und geben Aufschluss über die Verschiebungen im Rekrutierungsmarkt.
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