IT-Karriere: Start-up oder Konzern - was passt besser zu mir?
Von Marvin Engel und Juliane Gringer
Aufbruchstimmung mit Tendenz zu Chaos und Ausbeutung hier, wohlige Sicherheit mit dem Risiko der Langeweile da: Wie du herausfindest, wo du besser aufgehoben bist.
To-do-Liste auf dem Pappteller
Engel selbst fing direkt nach seinem Studium in einem Produktions-Start-up an. Am ersten Tag schrieb ihm jemand auf einen Pappteller, dass er Wasser und Zigaretten holen solle. “Dabei war ich als Produktionsleiter engagiert worden“, erinnert er sich. “Aber das war eben Start-up-Mentalität pur: Alle haben irgendwie alles gemacht.“ Wer bei so einem Unternehmen arbeiten will, sollte sich also auch für solche Arbeiten nicht zu schade sein.
Es liegt in der Natur eines Start-ups, dass es Dinge anders macht als etablierte Unternehmen: Die Teams stellen Geschäftsmodelle in Frage, wollen Marktstrukturen verändern, denken unkonventionell und neu. Sie sind schnell, flexibel und immer auch ein bisschen frech. Das ist aufregend. Wenn ein Start-up zum Erfolg wird, ist es außerdem natürlich besonders befriedigend, von Anfang an dabei gewesen zu sein. Gleichzeitig riskiert man immer, dass solche Unternehmen auch schnell wieder weg sind. Nur eines von zehn Start-ups schafft den Durchbruch. Sicherheiten gibt es in einem solchen Umfeld wenig bis gar nicht.
Faire Bezahlung, feste Arbeitszeiten
Ein Konzern hat dagegen längst bewiesen, dass er langfristig erfolgreich agiert - sonst wäre es kein Konzern. Als Arbeitgeber ist er also eine relativ sichere Bank. Er bietet in der Regel faire Bezahlung, einen Betriebsrat und feste Arbeitszeiten. Wenn man die Konzernwelt und ihre Vorzüge kennt, wird man bei einem Start-up vielleicht einige Dinge vermissen. Zum Beispiel Arbeitsverträge, die keine Vordrucke aus dem Internet sind, in denen einige Passagen von Hand gestrichen wurden. Dafür dauert es in der Regel auch nicht drei Wochen, bis so ein Vertrag vom HR-Manager ausgearbeitet, vom Betriebsrat unterschrieben und noch über drei weitere Schreibtische gegangen ist.
Was in Start-ups auch oft fehlt, sind genaue Tätigkeitsbeschreibungen, die einem sagen, was zu tun ist, um den Job bestmöglich zu erfüllen. In einem Konzern gibt es diese klaren Aufgabenbeschreibungen in der Regel, und alles ist recht kleinteilig getaktet. “Wenn man in solchen Strukturen groß geworden ist, kann es schwer sein, mit der Lässigkeit umzugehen, die in einem Start-up regiert“, sagt Marvin Engel.
Die Lässigkeit umfasst nicht nur To-do-Listen auf Papptellern, sondern auch nicht planbare Feierabende - trotz nicht gerade üppiger Bezahlung. “Du solltest quasi immer auf Abruf, immer erreichbar sein, feste Arbeitszeiten gibt es nicht”, sagt Engel. Aber auch: "Es macht trotzdem verdammt viel Spaß, in einem Start-up zu arbeiten!“ Auch, weil man dort in kurzer Zeit sehr viel lernen und Verantwortung übernehmen kann.
Alle haben Bock
"Du bist bei einem Start-up von Leuten umgeben, die, wie du selbst, alle Bock haben. Im Konzern denkt man eher 9 to 5 - wenn du da anders rangehst, giltst du schnell als Sonderling“, sagt Engel und erzählt von einem Projekt in einem Konzern, bei dem er eine mobile Applikation für Mechaniker mitentwickelt hat. “Die waren sehr irritiert, dass wir als IT-Leute da direkt an ihren Arbeitsplatz gekommen sind und uns Ivor Ort alles anschauen wollten.” Sie waren es offenbar nicht gewohnt, dass jemand sie fragt, was sie von einer Software, mit der sie täglich arbeiten sollen, erwarten und brauchen.
Letztlich müsse es bei der Entscheidung zwischen Abenteuer und Sicherheit von der Persönlichkeit her passen: “Entweder ist es dir lieber, dass vorne einer vortanzt und dir genau sagt, was zu tun ist. Dann fühlst du dich in einem Konzern sicher wohler. Oder du hast lieber Rock’n’Roll und lässt dich gern davon überraschen, was passiert, wenn du morgens in die Firma kommst.“ Ein Coach kann helfen herauszufinden, welche Arbeitsweise einem mehr liegt und in welchem Umfeld man erfolgreicher agieren wird.