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Was Autokonzerne für Programmierer attraktiv macht
Die Softwareentwicklung spielt für Autokonzerne eine immer größere Rolle. Firmen wie Daimler müssen sich als Arbeitgeber etwas einfallen lassen.
Von Friedhelm Greis
Der Stuttgarter Konzern Daimler steht beispielhaft für die großen Umbrüche in der Autoindustrie. Während früher der klassische Maschinenbau mit der Motorenentwicklung die zentrale Rolle spielte, ist in den vergangenen Jahren die Softwareentwicklung immer wichtiger geworden. Autohersteller müssen sich dabei schon einiges einfallen lassen, damit die besten Programmierer nicht zu den großen IT-Konzernen wie Google, Apple oder Amazon gehen.
Die Herausforderungen der Autoindustrie beim Thema Software sind derzeit vielfältig. Das betrifft sowohl das vernetzte und autonome Fahren als auch die Elektrifizierung. Hinzu kommt, dass Hersteller wie Daimler oder Volkswagen die Softwarearchitektur künftig mit eigenen Betriebssystemen abbilden wollen. Eine Herausforderung, die nach Ansicht von BMW ein einzelner Anbieter gar nicht leisten kann.
Daimler ist jedoch anderer Meinung und hält laut Technik-Vorstand Markus Schäfer an der Strategie fest. Die Daimler-Tochter Mercedes-Benz strebt nach eigenen Angaben sogar die "führende Position" bei Fahrzeugsoftware an. Dazu will das Unternehmen möglichst die besten Entwickler engagieren.
Autohersteller locken mit gutem Gehalt
In der aktuellen Umfrage zum besten IT-Arbeitgeber Deutschlands von Golem.de und Statista liegt Daimler auf Platz 9 und damit unter den Autoherstellern noch vor Porsche (Platz 14) und Audi (Platz 17). Auffällig: Alle Autohersteller im Ranking holten die meisten Punkte in Sachen Bezahlung. Allerdings sind die Auswahlkriterien entsprechend hoch.
In einem Interview mit Golem.de sagte der frühere Digitalvorstand Sajjad Khan dazu: "In der Softwareentwicklung ist das Verhältnis zwischen einem sehr guten Entwickler im Vergleich mit einem durchschnittlichen Entwickler circa 1 zu 30. Daher muss man auch entscheiden: Ist das ein wirklich guter Entwickler? Der Filterprozess ist extrem hart. Wir sind 'pingelig' bei Einstellungen, was auch so sein sollte und so sein muss."
Eine Frau, die diesen Filterprozess erfolgreich durchlaufen hat, ist die Softwareentwicklerin Adriana Onet. Die 44-Jährige studierte Computer Science an der Polytechnischen Universität Temeswar in Rumänien und startete ihre Laufbahn in der Softwareentwicklung und im Projektmanagement unterschiedlicher Automobilzulieferer. Onet kam 2015 zu Daimler und leitet derzeit Entwicklung und Support der Base Layer des geplanten Mercedes-Benz Operating System (MB.OS). Als unterste Softwareebene wird mit der Base Layer die Kommunikation des Betriebssystems mit den Steuergeräten im Fahrzeug ermöglicht.
"Ziemlich einzigartig"
Die Aufgabe macht das Unternehmen aus Onets Sicht auch für Programmierer attraktiv. "Direkt am Fahrzeug zu sehen, wie wochen- und monatelange Arbeit in den Entwicklungsfahrzeugen zum Einsatz kommt und später dann auch auf die Straße gebracht wird, das ist schon ziemlich einzigartig und motiviert mich und meine Kolleginnen und Kollegen jeden Tag. Eine solche Gelegenheit, direkt an der Zukunft mitzuwirken, bekommt man nicht überall", sagt Onet.
An dieser Zukunft programmiert Daimler nicht nur in Sindelfingen, sondern global an mehreren Standorten, sogenannten Digital Hubs in Seattle, Sunnyvale, Tel Aviv, Bangalore, Berlin und Peking. Bereits 1995 hat Mercedes-Benz ein Entwicklungs- und Forschungslabor im Silicon Valley eröffnet.
Anspruchsvolles Auswahlverfahren, neue Jobkonditionen
Seit Herbst 2016 gibt es in Sunnyvale sogar ein eigenes Gebäude für die Entwicklung des autonomen Fahrens. "Wir arbeiten wirklich eng mit unseren Kolleginnen und Kollegen weltweit zusammen. Wir arbeiten hauptsächlich mit Remote-Lösungen, wenn es um Softwareentwicklung für Hardwarekomponenten geht", sagt Onet.
Aus IT-Sicht sei das gerade eine wahnsinnig spannende Zeit mit zahlreichen internationalen Einstiegs- und Entwicklungsmöglichkeiten, fügt Onet hinzu. "Und auch wenn Mercedes nicht zu den klassischen IT-Arbeitgebern zählt, steht unser Unternehmen für Flexibilität, Eigenverantwortung, leistungsorientierte Vergütung und moderne Arbeitsstrukturen."
Das bedeute allerdings nicht, "dass von uns nicht viel erwartet wird", sagt Onet. Im Gegensatz zu einem Hersteller wie Volkswagen dürfte es sich eine Luxusmarke wie Mercedes-Benz kaum erlauben können, Autos mit schlecht funktionierender Software auf den Markt zu bringen und die Käufer auf spätere Updates zu vertrösten. "Mir hilft es immer, dass wir alle mit einem klaren Ziel vor Augen arbeiten - das Fahrzeug mit den von uns entwickelten Systemen auf die Straße zu bringen. Das Wichtigste ist aber, dass wir wirklich als Team zusammenarbeiten."
Anspruchsvolles Bewerbungsverfahren
Das Bewerbungsverfahren bezeichnet Onet als "definitiv anspruchsvoll". Wichtige Teile des Bewerbungsgesprächs seien die technische Diskussion und ein Programmiertest. "Hier geht es allerdings nicht nur um die finale Lösung, sondern um die Art und Weise, wie der Kandidat arbeitet, wie er mit Drucksituationen umgeht, wie strukturiert die Arbeitsweise ist und vor allem, ob er in unser Team passt", erläutert Onet.
Die Bewerber sollten sich aber durchaus "wohlfühlen und im besten Falle auch Spaß daran haben, sich vorzustellen". Alleine im vergangenen Jahr seien in ihrem Team 14 neue Kollegen eingestellt worden.
Um auf die besonderen Bedürfnisse der Entwickler einzugehen, hat Daimler im vergangenen Jahr mit dem Betriebsrat neue Konditionen für die Beschäftigten des Software-Campus in Sindelfingen vereinbart.
"Im Fokus stehen dabei: mehr Flexibilität und Eigenverantwortung in der Gestaltung der Arbeitszeit und eine noch stärker leistungsorientierte Vergütung", hieß es im Mai 2021. Es wird sich zeigen, ob Daimler in diesem Jahr mit Hilfe solcher Vereinbarungen seinen Platz unter den Top-IT-Arbeitgebern behaupten oder sogar verbessern kann.
Bild: Adriana Onet arbeitet bei Daimler an der Entwicklung des Betriebssystems MB.OS. / Daimler