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Coronakrise: IT-Freelancer müssen als Erste gehen
(Bild: Daniel Roland/AFP)
Ein Bericht von Peter Ilg veröffentlicht am
Die Pandemie schlägt bei vielen IT-Freiberuflern schneller zu als bei Festangestellten. Schon die Hälfte aller Projekte sind gecancelt. Überraschung: Bei der anderen Hälfte läuft es weiter wie bisher. Wie das?
Das Coronavirus verändert die Auftragslage von IT-Freiberuflern grundlegend und das rasend schnell. Auf Nachfrage schreibt etwa der IT-Freelancer Pierre Wolter vormittags: "Ein Neuprojekt, welches teilweise vor Ort beim Kunden stattfinden sollte, ist kurzfristig auf unbestimmte Zeit verschoben worden, wodurch mir ein Schaden im mittleren fünfstelligen Bereich entsteht." Wolter wohnt in Berlin, sein Spezialgebiet sind Back-End-Lösungen für Webanwendungen.
Davon lebte er ganz gut. Vor eineinhalb Jahren sagte er: "Projekte muss ich nicht suchen, ich werde regelrecht gejagt von potenziellen Kunden." Dann kam das Virus und aus war es mit der Herrlichkeit. In rasender Geschwindigkeit ändert sich nun Wolters Situation, schon nachmittags klagte er: "Ich habe weitere pandemiebedingte Absagen erhalten." Vor wenigen Wochen waren IT-Spezialisten noch die Könige des Arbeitsmarkts. Jetzt leiden auch sie unter dem Virus. Alle? Oder macht Corona Ausnahmen?
Etwa 120.000 IT-Freiberufler gibt es in Deutschland nach Schätzungen von Jonas Lünendonk. Der geschäftsführende Gesellschafter der Marktforschungsgesellschaft Lünendonk und Hossenfelder sagt: "Natürlich sind Freelancer die Ersten, die nach Hause geschickt werden, da Verträge schnell gekündigt werden können."
Allerdings geht er davon aus, dass Covid-19 kurzfristigen Einfluss nimmt. "Sobald die Wirtschaft wieder Tritt fasst - und das ist hoffentlich in drei bis vier Wochen der Fall -, dann wird es zu Nachholeffekten kommen." Das Virus könne die Digitalisierungswelle nicht beenden, sondern nur kurz anhalten.
Was nicht folgenlos ist: Die Marktforschungsgesellschaft hat für dieses Jahr mit einem deutlichen Anstieg in der Nachfrage nach IT-Spezialisten von sechs bis acht Prozent gerechnet. "Aktuell ist davon auszugehen, dass diese Erwartung nicht in Erfüllung geht", sagt Lünendonk. Das Coronavirus wirkt sich ebenso stark auf die Gesundheit wie auf das Geld aus.
"Die Einbrüche am Markt für IT-Freelancer sind groß", sagt Arne Hosemann, Geschäftsführer von Expertlead, einem digitalen Marktplatz, über den Unternehmen IT-Freiberufler finden können. "Wir stellen einen deutlichen Rückgang an Suchanfragen von Unternehmen fest. Andererseits registrieren sich viel mehr IT-Freiberufler als sonst."
"Die Einbrüche am Markt für IT-Freelancer sind groß", sagt Arne Hosemann, Geschäftsführer von Expertlead. (Bild: Expertlead)
Innerhalb der zweiten März-Woche stiegen die Registrierungen um 50 Prozent an, was darauf schließen lässt, dass viele nach Aufträgen suchen. Deutlich mehr als sonst. IT-Freelancer sind offensichtlich auf der Suche nach Arbeit, weil Projekte abgebrochen und storniert wurden.
Remote-Projekte werden mehr
"Der Anteil an angebotenen Projekten, die remote zu erledigen sind, geht enorm nach oben", stellt Hosemann fest. Manche aufgrund sozialer Verantwortung, andere weil Abteilungen oder ganze Firmen geschlossen sind.
Der Informatiker Tim Wellhausen arbeitet seit einer Woche ausschließlich von zu Hause. Der IT-Freelancer hat zwei Kunden und für den einen schon vor Corona remote die Projekte abgearbeitet. Jetzt macht er das auch für den anderen. "Am Umfang meiner Arbeit und meinem Einkommen hat sich nichts verändert." Wohl aber an seiner Arbeitssituation. Wellhausen hat sein Büro in seiner Wohnung in München. Seine Frau und seine Kinder sind nun auch zu Hause. "Manchmal sitzen wir zu dritt im Arbeitszimmer."
Wenn nach Ostern die Wirtschaft wieder halbwegs anläuft, wie der Bayer hofft, wird Corona auf seine wirtschaftliche Situation keine großen Auswirkungen haben. "Wenn es länger geht, kann es problematisch werden", sagt Wellhausen. Wenn Firmen sparen, dann als Erstes an den Freiberuflern. Das weiß er vom Einbruch der New Economy 2001 und der Finanzkrise 2008. "Beides Mal ging es ganz schnell und viele Freiberufler waren draußen."
Wenn Firmen sparen, dann als Erstes an den Freiberuflern, sagt der Freelancer Tim Wellhausen. Er weiß das aus Erfahrung. (Bild: privat)
Finanzielle Hilfe vom Staat kommt für ihn erst einmal nicht infrage. "Als Freiberufler hat man viele Vorteile. Deshalb sollte man auch bereit sein, sein Risiko soweit als möglich selbst zu tragen." Zu diesen Vorteilen zählt er, vom eigenen Büro aus arbeiten zu können. ITler sind dabei im Vorteil, weil sie sich mit der dafür notwendigen Technik gut auskennen.
Wenn die Krise ein, zwei Monate dauert, kommt auch er über die Runden. Sorgen um seine Existenz macht er sich noch nicht. Denn in guten Zeiten sorgt er für immer wiederkehrende schlechte Zeiten vor und weil er stets gut ausgelastet war, hatte er lange schon keinen Urlaub mehr. Die wohl folgende Pause wird er nutzen, um sich zu erholen.
Vereinbarte Aufträge einklagen, das würde Engelhardt nie. Moralisch und aus wirtschaftlichen Gründen nicht. "Wie soll man mit jemandem zusammenarbeiten, der das gar nicht will?" Das ist unvorstellbar für ihn und wohl viele andere IT-Freiberufler.
Mehr als die Hälfte der Freelancer hat Existenzängste
Rund 50.000 IT-Freiberufler sind dort gelistet, 500 haben an der Umfrage teilgenommen, die über drei Tage Mitte März online auf der Plattform lief.
Mehr als die Hälfte der Teilnehmenden gab an, dass Aufträge aufgrund Corona gecancelt worden seien und ebenfalls über die Hälfte plagen Existenzängste. "Während manche Freelancer die gegenwärtige Lage beunruhigt, sagen andere hingegen 'jetzt erst recht'", sagt Geschäftsführer Thomas Maas. Obwohl die Umfrage besorgniserregend ist, will er keine schlechte Stimmung verbreiten.
Maas ist Optimist und meint, dass der Ausnahmezustand zeitlich begrenzt sei und die Auftragslage danach besser werden könnte als zuvor, weil es dann viel zum Nachholen gibt. Die Zeit wird zeigen, ob er recht hat.
Thomas Maas von Freelancermap glaubt, die Auftragslage könnte nach Corona besser werden als davor. (Bild: Freelancermap)
Was sich jetzt schon zeigt, ist eine boomende Nachfrage nach IT-Profis, die sich mit Technik fürs Homeoffice auskennen, weil Firmen Lösungen für ihre Mitarbeiter brauchen, die sie nach Hause geschickt haben.
Wer solche oder andere Nischen erkennt, kommt besser über die Krise. Die anderen müssen nicht verzweifeln, denn kleine Unternehmen und Selbstständige sollen infolge der Coronakrise rasch finanzielle Hilfe erhalten. Bund und Länder bieten Unterstützung an.
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